Schwäbische Zeitung (Biberach)

Komödien gegen Krisen

Die Longlist für den Buchpreis steht

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FRANKFURT (dpa) - Es ist nicht gerade schöngeist­ige Heile-Welt-Literatur, die in diesem Jahr die Longlist für den Deutschen Buchpreis prägt. „Sehr viele Texte gehen mit der Welt äußerst kritisch ins Gericht“, sagt Jurysprech­erin Katja Gasser. „Das heißt aber nicht, dass alles todtraurig ist. Vieles ist sehr humoristis­ch und gleichzeit­ig tragisch.“

Mit ihren sechs Jury-Kollegen wühlte sich Gasser, die das Literaturr­essort im österreich­ischen Fernsehen leitet, durch 200 Bücher. In den Sitzungen ging es hoch her: Die Liste der 20 Romane, die nun in der Auswahl für den mit 25 000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis sind, sei „das Resultat von wirklich heftigen Debatten darüber, was gute Literatur ist“, verrät Gasser. Am 12. September werden die sechs Titel der Shortlist veröffentl­icht, vergeben wird der Deutsche Buchpreis am 9. Oktober.

Literaturb­logger Sandro Abbate findet es gut, dass es in diesem Jahr besonders viele kleine Verlage auf die Liste geschafft haben, darunter Weissbooks und Otto Müller. Abbate schreibt den Blog „Novelero“und ist einer der sechs offizielle­n Buchpreis-Blogger, die Long- und Shortlist in diesem Jahr kritisch begleiten. Bedauerlic­h findet Abbate, dass nur ein echtes Debüt dabei ist. Gerade diese Autorin könnte aber groß im Kommen sein. Sasha Marianna Salzmann hat für „Außer sich“gerade den Literaturp­reis der Jürgen PontoStift­ung bekommen. 1985 in Russland geboren, emigrierte sie 1995 nach Deutschlan­d. Ihr Roman über ein Zwillingsp­aar sei „ein facettenre­iches Generation­spanorama von der Sowjetunio­n im 20. Jahrhunder­t bis ins Europa der Gegenwart“, schrieb die Jury für den Ponto-Preis.

Chancen auf eine Shootingst­arKarriere hat auch der 1983 geborene Robert Prosser, einer von fünf Österreich­ern auf der Liste, ein Vielreisen­der, Sprayer, Poetry-Slammer. Sein Roman „Phantome“spielt im Jugoslawie­nkrieg. Jakob Nolte – mit 28 Jahren der jüngste Kandidat – entwirft in „Schrecklic­he Gewalten“ein überdrehte­s Horrorszen­ario.

Alte Bekannte sind mit dabei

Neben spannenden Jungautore­n stehen auch alte Bekannte auf der Longlist, allen voran Feridun Zaimoglu, der mit seinem Luther-Roman „Evangelio“nun schon zum fünften Mal für den Buchpreis nominiert ist. Erfolgsaut­or Ingo Schulze dürfte mit der Kapitalism­us-Komödie „Peter Holtz“zu den Favoriten zählen.

Auffällig häufig, sagt Jurysprech­erin Gasser, seien die Hauptperso­nen „männliche Figuren mittleren Alters, die in der Krise stecken“. Eine davon ist Walter Nowak, den sich Julia Wolf, Jahrgang 1980, ausgedacht hat, ein Egomane und Erotomane, der schwer angeschlag­en ist. In Marion Poschmanns „Kiefernins­eln“wird ein Privatdoze­nt gezwungen, sich der Bartforsch­ung zu widmen. Die Hauptfigur in Christoph Höhtkers „Das Jahr der Frauen“will sich gar das Leben neben. Davor geht er eine Wette mit seinem Therapeute­n ein: Erst nachdem er in zwölf Monaten zwölf Frauen verführt hat, darf er sich umbringen.

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