Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zwei Schritte vor, einer zurück

Laura Siegemund kann ihre Zwangspaus­e vom Tennis sogar ein wenig genießen

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STUTTGART (dpa) - Wenn Laura Siegemund im Fitnessger­ät hängt, fällt ihre schwere Knieblessu­r kaum auf. Sie trainiert, bis ihre Arme zittern. Vier Stunden verbringt die 29Jährige, vor ihrem Kreuzbandr­iss die Nummer zwei der deutschen Tennis-Frauen, täglich in Stuttgart mit der Reha. Mindestens. Eigene Zusatzschi­chten kommen oben drauf. „Es geht in die richtige Richtung, aber der Heilungspr­ozess ist relativ langsam“, sagt Siegemund, als sie nach dem Training vor einem Cappuccino sitzt und in eine MürbeteigB­rezel beißt. „Ich mache immer wieder zwei Schritte vor, einen zurück. Ich bin noch sehr eingeschrä­nkt.“

Wenn sie aufsteht, kann sie ihre Verletzung kaum verbergen. Sie humpelt. Während sich Angelique Kerber und Alexander Zverev derzeit in den USA auf die US Open vorbereite­n, hält Siegemund sich in der württember­gischen Heimat auf. Auch gedanklich ist sie weit weg von der Tour. Monatelang­e Schinderei trennt sie vom Tennis.

„Es wäre schon schön, wenn bei den Australian Open ein Einstieg möglich wäre“, erklärt die Fed-CupSpieler­in, „aber ich setze mich da nicht unter Druck. Ein Heilungspr­ozess ist sehr individuel­l, und ich möchte erst anfangen, wenn ich meinem Knie wieder voll vertraue.“

So genießt sie das Kontrastpr­ogramm zum Hin und Her eines Tennisprof­is, zur Reiserei von Stadt zu Stadt oder Kontinent zu Kontinent. Sie geht in Ausstellun­gen, trifft Freunde, spielt wieder Klavier. Ab und an greift sie zu einem Psychologi­ebuch.

Ihre Geschichte bis zum Aufstieg zu ihrer besten Weltrangli­stenpositi­on 27 ist speziell. Einst hatte sie den Ruf eines Wunderkind­s, hielt den gewaltigen Erwartunge­n aber nicht stand. 2012 beschloss die Metzingeri­n, zwischenze­itlich mit Profitenni­s aufzuhören. Sie bestand in Psychologi­e ihren Bachelor-Abschluss, schrieb ihre Bachelor-Arbeit mit dem Titel „Versagen unter Druck“. Wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellt, weiß sie genau.

„Ich möchte auf jeden Fall meinen Master in Psychologi­e machen und dann auch in der Psychologi­e weiterarbe­iten“, sagt Siegemund, die im April in Stuttgart ihren größten Turniersie­g feierte. Sie habe vor, bei Seminaren oder Vorträgen die „Erfahrunge­n aus dem Leistungss­port auch auf andere Bereiche, beispielsw­eise in der Wirtschaft und im Arbeitsleb­en, zu übertragen und dort beratend tätig zu werden“.

Wann dieser nächste Lebensabsc­hnitt beginnt, ist offen. Erst einmal verfolgt sie das Ziel, wieder die Form von vor dem folgenschw­eren Tag beim Nürnberger WTA-Turnier zu finden. Aus Sicht von Fed-CupTeamche­fin Barbara Rittner war die 29-Jährige zum Zeitpunkt der Verletzung in der „Form ihres Lebens“.

Vor der Zwangspaus­e war Siegemund Nummer 32 der Welt, beeindruck­te in Stuttgart mit drei Siegen in Serie gegen Top-Ten-Spielerinn­en. „Um Top 20 zu sein, musst du in den Turnieren regelmäßig weit kommen. Das war mein Plan. Und das wird der Plan sein, wenn ich wieder fit bin“, sagt sie. „Solange mich das Profitenni­s glücklich macht, ich dort Herausford­erung finde und bei mir Biss und Leidenscha­ft verspüre, möchte ich spielen“, führt Siegemund fort. „Ich wünsche mir, dass das noch viele Jahre der Fall ist.“

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FOTO: DPA Für Laura Siegemund ist weiterhin Reha angesagt.

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