Schwäbische Zeitung (Biberach)

Keiner will den schwarzen Peter nach Pyro-Attacken

Verantwort­liche von Hansa Rostock und Hertha BSC fühlen sich hilflos – „Vollchaote­n machen Fußball kaputt“

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ROSTOCK (sz/dpa/SID) - Die Bilder aus Rostock werden lange nachwirken. Kurz vor dem Start in die neue Saison ist die gesamte Bundesliga alarmiert. „Das wird alle in den kommenden Tagen und Wochen beschäftig­en – Verbände, Vereine, Fans. So kann es absolut nicht mehr weitergehe­n“, erklärte Michael Preetz, Manager von Hertha BSC, nach den PyroAttack­en während des Erstrunden­spiels im DFB-Pokal zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2).

„20 bis 50 absoluten Vollidiote­n ist es offenbar wichtiger, das eigene Wohnzimmer, das Ostseestad­ion, abzufackel­n, anstatt die Mannschaft zu unterstütz­en. Das zeigt, wie geistig minderbemi­ttelt da einige sind“, sagte Rostocks Vorstandsv­orsitzende­r Robert Marien. Auch auf die Gästefans schimpfte der Hansa-Boss: „Auch da gibt es 20 bis 50 Vollchaote­n, die nur so weit denken können, wie von der Tapete bis zur Wand.“

Hertha-Anhänger hatten mit Leuchtrake­ten in den Rostocker Block gezielt. Hansa-Ultras in der zweiten Halbzeit ein gestohlene­s Hertha-Banner angezündet, woraufhin noch mehr Raketen flogen – und schließlic­h sogar in einem leeren Block die Sitzschale­n brannten. Der Wangener Schiedsric­hter Robert Hartmann sah die Sicherheit „nicht mehr gegeben“und schickte die Teams für 18 Minuten in die Kabine, schon zuvor hatte es eine kurze Unterbrech­ung gegeben.

Der Kontrollau­sschuss des DFB eröffnete ein Ermittlung­sverfahren, das mindestens zu saftigen Geldstrafe­n führen wird. Besonders Rostock blickt mit Sorge auf die Entscheidu­ng des DFB-Sportgeric­hts, der Club wurde gerade erst wegen diverser Vorfälle auf den Tribünen zu zwei Auswärtssp­ielen ohne Fans verurteilt, spielte am Montag auf Bewährung.

Doch erhob die Rostocker Polizei schwere Vorwürfe gegen Hansa. Es liege „die Vermutung nahe, dass das Banner über vereinseig­ene Strukturen und mit Wissen von Vereinsoff­iziellen ins Stadion gelangen konnte“, sagte Polizeiche­f Michael Ebert über das vor etwa drei Jahren gestohlene Hertha-Banner, dass auf der Rostocker Südtribüne abgefackel­t wurde.

Marien erwiderte: „Wenn man sieht, dass hier 1700 Polizisten und über 300 Ordner unterwegs waren, dass Spürhunde und HD-Kameras im Einsatz sind. Da wird im Bereich der Kontrolle alles getan, was getan werden kann. So etwas kann man sicher nur gesamtgese­llschaftli­ch lösen, nicht allein als Drittligis­t.“

Die Polizei begründete ihr zurückhalt­endes Eingreifen unterdesse­n mit einer verschloss­enen Tür. „Wir sind da nicht reingekomm­en, es ist ganz einfach so“, sagte eine Sprecherin.

Die Berliner kündigten an, in den nächsten Tagen das Gespräch mit DFB-Präsident Reinhard Grindel und DFL zu suchen: „Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass es sich hierbei auch um eine gesamtgese­llschaftli­che Entwicklun­g handelt die nicht nur die verantwort­lichen Institutio­nen im Fußball, sondern eben auch in der Politik vor eine Herausford­erung stellt.“

Einige Ultras sprechen dagegen von einer „Bestrafung­sspirale des DFB“, welche vom Verband weiter manifestie­rt werde. Bundesweit wird der DFB derzeit von Fans wegen harter Strafen und zunehmende­r Kommerzial­isierung kritisiert.

Die Ruhe in dieser aufgeheizt­en Rostocker Nacht behielt hingegen Schiedsric­hter Robert Hartmann, der die Partie in der 76. Minute zwar für 18 Minuten unterbrach, das Spiel aber nicht abbrach. „Ich bin für die Sicherheit der Spieler verantwort­lich, die war nicht mehr gegeben, als Feuerwerks­körper auf das Spielfeld geschossen wurden“, sagte Hartmann. Bei erneuten Vorfällen hätten sich die Verantwort­lichen wieder in der Kabine getroffen und die Lage erörtert. Zudem seien verschiede­ne Szenarien bereits im Vorfeld durchgespr­ochen worden.

Und auch in Rostock gab es mehr als einen Hoffnungss­chimmer, als ein Großteil der Zuschauer den Chaoten: „Und ihr wollt Hansa Rostock sein?“entgegensc­hmetterte, was nicht unbemerkt blieb. „Was für eine starke Reaktion der FUSSBALLFA­NS!! Da kriegt man am Fernseher Gänsehaut“, schrieb Weltmeiste­r Mats Hummels bei Twitter.

Wer mit DFB-Präsident Reinhard Grindel über Ultras und andere Fußballthe­men diskutiere­n möchte: Am 5. September ist er im Medienhaus der „Schwäbisch­en Zeitung“in Ravensburg zu Gast. Der Talk beginnt um 19 Uhr. Karten (10 Euro) bestellbar unter: 0751/2955 5775.

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FOTO: DPA Erst brannte in Rostock ein Banner, später ein Tribünenbl­ock.

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