Schwäbische Zeitung (Biberach)

Katalonen reagieren mit Trotz und Wut auf Anschlag

Die Biberacher­in Melina Maier berichtet, wie sie den Terror in der spanischen Metropole hautnah miterlebte

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BIBERACH/BARCELONA - Ein Attentäter fuhr am 17. August in Barcelona mit einem Lieferwage­n in eine Menschenme­nge und tötete und verletzte mehrere Menschen. Die Biberacher SZMitarbei­terin Melina Maier ist zum Zeitpunkt des islamistis­chen Anschlags in Barcelona gewesen und berichtet in dieser Ausgabe über ihre ganz persönlich­en Eindrücke.

Angst und Unsicherhe­it zu verbreiten, ist das Ziel von Terroriste­n. In meinem Sommerurla­ub erlebte ich hautnah mit, wie entschloss­en die Einwohner Barcelonas sich diesem Ziel entgegenst­ellten und weigerten, in ihrer Trauer zu verharren. „No tenim por“– Wir haben keine Angst, ist das Motto, unter dem die Menschen sich in den Tagen seit dem Anschlag vereinen. Ich realisiert­e in diesem Urlaub, dass Terror eine allgegenwä­rtige Bedrohung ist, der man nicht immer ausweichen aber trotzen kann.

Eine böse Vorahnung

Bemerkensw­ert war für mich, dass die meisten Menschen, mit denen ich nach dem Anschlag sprach, bereits damit gerechnet hatten. Der katalanisc­he Lebensgefä­hrte meiner Tante sagte, er habe gedacht, dass es in diesem Fall die berühmte Kirche Sagrada Familia treffen würde. Einer der Gründe, warum die beiden von dem Anschlag nicht allzu überrascht waren, ist, weil Katalonien als dschihadis­tische Hochburg gilt. Die vorherigen Anschläge in anderen europäisch­en Städten hatten zudem gezeigt, dass es immer schwierige­r wird, den Terror zu kontrollie­ren, wenn er von kleineren Gruppen geplant wird.

Ich kann jedenfalls von Glück reden, dass ich am besagten Tag in der Wohnung meiner Tante geblieben bin, die nicht weit von den Ramblas wohnt. Ich wusste erst, dass etwas nicht stimmte, als ich auf einmal mehrere besorgte Nachrichte­n von Freunden und Verwandten bekam und mir auffiel, dass die Polizeisir­enen nicht mehr aufhörten zu heulen. Es war und ist ein seltsames Gefühl, den fußläufig erreichbar­en Anschlagso­rt im Fernseher zu beobachten.

Am beunruhige­ndsten ist für mich aber die unkonventi­onelle „Waffe“, die der Amokfahrer verwendet hat. Es ist schließlic­h viel komplizier­ter, für Sicherheit zu sorgen, wenn Alltagsgeg­enstände wie zum Beispiel Autos, zum Mittel des Terrors werden. Als ich am Tag nach dem Anschlag die Ramblas besuchte, schien die Einkaufsme­ile so touristisc­h und bunt wie immer. Das Einzige, was noch an das schrecklic­he Ereignis erinnerte, waren internatio­nale Kamerateam­s, Blumen und Kerzen.

Scheinbare­r Alltag

Aber Straßenver­käufer, Reisegrupp­en und die wie immer überfüllte Markthalle „La Boqueria“wirkten so, als wäre nichts passiert. Die Bürger von Barcelona lassen sich nicht einschücht­ern. Sie leben ihr Leben weiter. Auf den Demonstrat­ionen dominiert nicht die Angst, sondern eher die Wut und der Trotz. Das kommt nicht überall gut an. Tatsächlic­h entspricht es aber am ehesten ihrem stolzen Charakter.

Vorwürfe gegenüber dem König

Man könnte meinen, die gemeinsame Trauer schweiße Spanien und das nach Unabhängig­keit strebende Katalonien mehr zusammen. Doch nach einem Telefonges­präch mit meiner Tante einige Tage danach erfahre ich, dass die Anti-Terror-Demonstrat­ionen am Samstag zeigten, dass das Misstrauen und die Wut gegenüber dem König von Spanien groß sind. Die Katalonen beschuldig­en das Königshaus, indirekt durch den Waffenhand­el mit Saudiarabi­en dazu beigetrage­n zu haben, dass es zu dem Anschlag überhaupt kommen konnte.

Fest steht, dass der Terroransc­hlag auf den Ramblas die Spannungen in Katalonien verstärkt. Er hat gezeigt, dass man sich nicht vom Terrorismu­s einschücht­ern lassen muss, aber auch wie schwer er zu kontrollie­ren ist. Er hat gezeigt, dass Schock und Trauer zusammensc­hweißen aber auch trennen können. Mir hat er vor allem gezeigt, dass man davor nicht die Augen verschließ­en darf, auch wenn es weit weg passiert.

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FOTO: DPA/MANU FERNANDEZ Die Polizei ist seit dem Anschlag auf den Straßen Barcelonas deutlich präsenter.
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FOTO: PR Trotz allem erlebte Melina Maier schöne Urlaubsmom­ente.

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