Schwäbische Zeitung (Biberach)

Unmoral hat ein neues Maß

- Von Alexei Makartsev

Dass das Fingerspit­zengefühl nicht zu Gerhard Schröders herausrage­nden Eigenschaf­ten gehört, weiß man spätestens seit dem Wechsel des Sozialdemo­kraten zum russischen Pipeline-Bauer Nord Stream nach dem Ende seiner Kanzlersch­aft Ende 2005. Der einstige „Genosse der Bosse“erntete mit dem viel kritisiert­en Karrieresc­hritt die ersten Früchte seiner Freundscha­ft mit dem Kremlchef Wladimir Putin, den Schröder für einen „lupenreine­n Demokraten“hält. Wie wenig Skrupel der 73-jährige Russland-Lobbyist Schröder tatsächlic­h hat, zeigt er nun mit seinem Aufstieg zum Aufsichtsr­atsvorsitz­enden des teilstaatl­ichen russischen Ölriesen Rosneft.

Natürlich dürfen frühere Top-Politiker als gutbezahlt­e Türöffner auch bei ausländisc­hen Firmen ihre Pension aufbessern. Doch Rosneft ist kein gewöhnlich­er Arbeitgebe­r. Zur Erinnerung: Das ist jenes Unternehme­n, das auf den Ruinen des Ölkonzerns Yukos aufgebaut wurde, nachdem dessen Eigentümer Michail Chodorkows­ki von Putins willfährig­en Vollstreck­ern in der Justiz für zehn Jahre in ein Straflager geschickt worden war. Rosneft-Chef Igor Setschin, Putins „rechte Hand“und angeblich selbst ein Ex-Geheimdien­stler, steht auf der US-Sanktionsl­iste wegen Russlands Völkerrech­tsbruch auf der annektiert­en Krim und der Beteiligun­g am Krieg in der Ukraine.

Ein deutscher Ex-Kanzler wird also als Chefaufseh­er eines strategisc­h wichtigen Unternehme­ns in Russland dafür sorgen, dass es profitabel bleibt. Er wird dadurch das politische Überleben eines rückwärtsg­ewandten Autokraten sichern, der gerade auf einen Konfrontat­ionskurs mit dem Westen setzt und mehrere Konflikthe­rde kräftig anheizt. Nun scherzen sogar einige russische Medien: Es gebe eine neue Maßeinheit der Unmoral – „einen Schröder“.

Und was sagt Schröder selbst? Nur, dass er seiner Partei mit dem neuen Job nicht schade. Die SPD dürfte da anderer Meinung sein. Es ist für sie gefährlich, sich eine Nähe zu den Machthaber­n in Moskau vorwerfen lassen zu müssen. Darum hat sich Martin Schulz im Wahlkampf von Schröder so deutlich distanzier­t.

a.makartsev@schwaebisc­he.de

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