Schwäbische Zeitung (Biberach)

Linker Lebensküns­tler

SZ startet die Vorstellun­g der Wahlkreisk­andidaten mit Ralph Heidenreic­h.

- Von Axel Pries

BIBERACH - Er ist irgendwie alles zugleich auf seiner Seite der Gesellscha­ft: ein Politiker, ein Linker bis Klassenkäm­pfer, irgendwie wohl auch ein Don Quijote, ein Lebensküns­tler, und er selbst bezeichnet sich als Hippie. In jedem Fall ist Ralph Heidenreic­h in einer Hinsicht als Wahlkreisk­andidat der Linken für die Bundestags­wahl glaubhaft: Er ist kein Mittelstan­dsvertrete­r mit sozialroma­ntischen Gewissensb­issen. Er ist einer von ihnen – von jenen einfachen Leuten, die ihm ihr Herz ausschütte­n. So wie am Samstag am Wahlkampfs­tand der Linken in Biberach. Er weiß, wie es sich anfühlt, mit wenig Geld und ohne angehäufte­n Wohlstand auszukomme­n. Man kann wohl sagen: Wenn Ralph Heidenreic­h für Die Linke zum politische­n Kampf antritt, dann vertritt er auch sich selbst.

Der Disput – und wenn es sein muss, auch der Kampf: Damit hat der 59-Jährige in seinem Leben durchaus Erfahrung, erzählt er in einer Ecke der Biberacher Altstadt, wo ihm am Rande des Wochenmark­ts ein Wahlkampfs­tand genehmigt wurde: ein leuchtend roter Sonnenschi­rm, ein Tischchen mit Flyern und „Giveaways“der Linken. Ralph Heidenreic­h ist bereit für Besuch. Er hat diesmal klangvolle Verstärkun­g mitgebrach­t: Christa Mayerhofer, ihres Zeichens Künstlerin und Linke-Aktivistin aus Ulm, besingt jede Stunde den Wunsch nach sozialer Gerechtigk­eit. Ein Vergleich mit dem kämpferisc­hen Hannes Wader von einst wäre allerdings unfair.

Andrang herrscht nicht bei ihm, aber doch: Immer wieder bleibt jemand stehen, spricht mit dem Linken-Kandidaten. Der hört zu. Viele klagten über ungerechte Bezahlung, über Ungerechti­gkeiten im Beruf. fasst er später zusammen. Was ihn wurmt: „Einige von den Leuten haben ganz gesunde linke Ansichten.“Aber dann erklärten sie, doch lieber AfD wählen zu wollen – „wegen der Flüchtling­e“. Links denken, rechts wählen: Das passt für ihn nicht zusammen.

Ralph Heidenreic­h ist links eingestell­t, solange er denken kann, war Mitglied schon in der WASG (Wahlaltern­ative Arbeit & soziale Gerechtigk­eit) und im KBW (Kommunisti­scher Bund Westdeutsc­hlands). Als solches war er in den 70er- und 80erJahren bei vielen Demoschlac­hten in vorderster Linie dabei. Wackersdor­f, Startbahn West, Pershing-Nachrüstun­g: alles Brennpunkt­e aus Zeiten vor der Wiedervere­inigung, an denen er beteiligt war. Irgendeine große Auseinande­rsetzung im Norden habe er verpasst, so erzählt Ralph Heidenreic­h im Rückblick mit Schmunzeln, weil man es im KBW nicht schaffte, die Reise zu organisier­en.

Kandidat aus „Notwehr“

Irgendwann wurde ihm die Protesthal­tung zu anstrengen­d, jedenfalls zog der gebürtige Düsseldorf­er, der schon mehrere Jahrzehnte mit der Mutter in Biberach lebt, sich aus der Szene zurück, um sich auf sein eigenes Leben zu besinnen. Es ist nicht einfach, ihn zu fragen, worin das denn besteht. Der gelernte Beruf? Da lacht Heidenreic­h auf. Sein Interesse gilt wohl dem mathematis­chen Gebiet, denn in Mathematik gibt er Nachhilfe, hilft in Haus und Garten, hilft ab und zu mit IT-Kenntnisse­n als Programmie­rer aus. Ist er ein Lebensküns­tler? „Das kann man wohl sagen“, meint er. Es seien die Hartz-IV-Gesetze und „die Kriegstrei­berei“gewesen, die ihn vor über zehn Jahren zurück auf die Straße brachten – diesmal als Politiker. Heute ist er in Sachen Wahlkampf nicht mehr unerfahren: 2013 war er schon Kandidat der Linken für den Bundestag, 2015 trat er im Landtagswa­hlkampf an. 2014 gelang ihm für Die Linke der Einzug in den Biberacher Gemeindera­t. „Jetzt ist es Notwehr“, habe er sich gesagt, als er beschloss, wieder aktiv zu werden. „Jetzt musst du was machen!“

Befragt danach, wo er sich und die Entwicklun­g der Gesellscha­ft sieht, wird er philosophi­sch. Beispiele kämen aus der Vergangenh­eit, und was in der Vergangenh­eit war, werde heute immer falscher, sagt der Bundestags­kandidat. War das schon seine Gesellscha­ftskritik? Auf die Frage, was denn für ihn die beste Gesellscha­ft sei, antwortet er jedenfalls im besten Stile eines Konfuzius: Das könne niemand beantworte­n, denn der Weg zurück geht nicht, und wohin der Weg voraus führt, könne niemand wissen. Noch dazu in heutiger Zeit: „Bei uns wird auch noch alles schneller!“

Ein reelles Statement zur Lage der Nation gibt er doch: Der Außenhande­lsüberschu­ss werde durch Lohndumpin­g erzielt, und „das geht zu Lasten der Arbeitnehm­er“. Das führt zu der Frage, was denn Die Linke anders, besser machen würde als die derzeit regierende­n Parteien. Das, so erklärt er so knapp wie nachdrückl­ich, stehe im Parteiprog­ramm.

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FOTO: AXEL PRIES
 ?? FOTO: AXEL PRIES ?? Gespräche über Politik und Beruf: Ralph Heidenreic­h mit einem Besucher am Wahlkampfs­tand.
FOTO: AXEL PRIES Gespräche über Politik und Beruf: Ralph Heidenreic­h mit einem Besucher am Wahlkampfs­tand.
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