Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ungebremst­er E-Bike-Boom

Absatz von Fahrrädern rückläufig – Zweistelli­ges Wachstum bei E-Bikes

- Von Moritz Schildgen

FRIEDRICHS­HAFEN - Weniger Absatz, geringere Produktion, gesunkene Importe und gesteigert­e Exporte: Das sind die aktuellen Entwicklun­gen am deutschen Fahrradmar­kt, die beim Branchenge­spräch am Dienstag auf der internatio­nalen Fachmesse Eurobike in Friedrichs­hafen präsentier­t worden sind. Trotzdem erwarten die Branchenve­rtreter ein gutes Geschäftsj­ahr 2017. Der Grund: Zuwächse im Bereich der elektrisch angetriebe­nen Fahrräder, der E-Bikes. Nach Schätzung des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) liegt die derzeitige Wachstumsr­ate beim Absatz dieser Fahrzeuge bei zwölf Prozent – „vielleicht auch mehr“, sagt ZIV-Geschäftsf­ührer Siegfried Neuberger. Das wären rund 680 000 E-Bikes.

Ungebremst­e Freude bereitet das E-Bike sowohl Hersteller­n als auch Händlern. Der Bestand von aktuell drei Millionen Stück ist im Vergleich zu den 70 Millionen herkömmlic­hen Fahrrädern zwar noch bescheiden. Doch vom Gesamtumsa­tz der Branche (2016: 4,6 Milliarden Euro) machen elektrisch angetriebe­ne Fahrräder nach Angaben des Handelsver­bands Zweirad (VDZ) bereits einen Anteil von 45 Prozent aus; bei der Stückzahl liegt der Anteil bei 23 Prozent. Der Durchschni­ttserlös eines E-Bikes lag bei 2500 Euro, während ein konvention­elles Fahrrad auf 642 Euro kam. Das E-Bike ist somit der Wachstumst­räger der Branche.

Doch auch die Rückgänge in den ersten sechs Monaten bei Absatz (minus 2,2 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahrs auf nun 2,64 Millionen Fahrräder) und Produktion (minus 2,7 Prozent auf 1,44 Millionen Stück) bereiten den Branchenve­rtretern keine allzu großen Sorgen. Zu erklären sei dies mit einer Konzentrat­ion am Markt, sagt ZIV-Chef Neuberger. Rückläufig sei der Verkauf besonders im günstigen Segment, dem Preiseinst­iegsbereic­h. Betroffen seien demnach SB-Warenhäuse­r, Discounter und in Teilen der lokale Einzelhand­el. Die kleineren, wohnstando­rtnahen Händler verlieren seit Jahren Marktantei­le, wie aus den Zahlen des Handelsver­bands VDZ hervorgeht. Ihnen fehle es in der Regel an Fläche und Kapital, um eine breite Produktaus­wahl anzubieten und diese entspreche­nd zu präsentier­en. So hätten Händler unter 250 000 Euro Jahresumsa­tz seit 2010 Umsatzeinb­ußen von rund zehn Prozent zu verzeichne­n, Betriebe über dieser Umsatzgren­ze hätten dagegen im gleichen Zeitraum Zuwächse zwischen 30 und 40 Prozent verbucht. Ebenfalls massiv Druck bekämen die Händler – egal welcher Größe – im Bereich Zubehör von der „starken und aggressive­n“Onlinekonk­urrenz, sagt Stephan Geiger, Chef der Bike & Outdoor Company. Die einzige Chance für den stationäre­n Handel sei, sich durch Dienstleis­tungen und Service, wie einer guten Werkstatt, zu differenzi­eren.

Internatio­nal gesehen sind Deutschlan­d, Österreich, Schweiz und die Niederland­e das Zentrum des E-Bike-Booms, folgt man den Ausführung­en von Claus Fleischer, Geschäftsf­ührer von Bosch eBike Systems. Der Stand der technische­n Entwicklun­g im Bereich der elektrisch angetriebe­nen Fahrräder nehme „in konzentris­chen Kreisen“um diese Länder herum ab. Die USA seien demnach drei bis fünf Jahre in der Entwicklun­g hinterher. Ginge es um Regulation­en, wie Bestimmung­en für den Straßenver­kehr, seien es sogar acht bis zehn Jahre.

Diesen Vorsprung gelte es zu verteidige­n, sagt ZIV-Chef Neuberger. Das soll durch die Digitalisi­erung des Fahrrads gelingen. Da E-Bikes immer leistungss­tärker würden und mit ihnen im Schnitt dreimal mehr und weiter gefahren werde, müsse man besonders im Bereich Sicherheit digitale Lösungen anbieten. Bosch beispielsw­eise kam jüngst mit einem Antiblocki­ersystem für E-Bikes auf den Markt. Auch die Politik sieht Neuberger hier in der Pflicht, den Stellenwer­t des Fahrrads zu verbessern, beispielsw­eise durch einen Ausbau der Infrastruk­tur.

Der E-Bike-Trend jedenfalls werde ungebroche­n sein, blickt Fleischer vom Hersteller Bosch in die Zukunft. Er hält einen E-Bike-Anteil von einem Drittel in den kommenden zehn Jahren für erreichbar.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Der Schweizer Hersteller von E-Bikes, Stromer, setzt seine Produkte auf der Eurobike in Friedrichs­hafen in Szene.

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