Schwäbische Zeitung (Biberach)

Einkehr am schönsten Platz der Welt

Das Berggastha­us Aescher in der Ostschweiz ist zu den alpinen Top-Zielen aufgestieg­en

- Von Uwe Jauß

Wenn der Himmel noch wolkenzerr­issen ist, wenn Föhnwetter kräftige Farben in die gewaltigen Berge malt, dann wirkt der Aescher, als stamme er aus einen Fantasyfil­m. So viel der Ehre bekommt ein Berggastho­f selten. Der Aescher im schweizeri­schen Alpstein-Massiv südlich des Bodensees hat es sich aber verdient. Das verletzlic­h wirkende Gebäude schmiegt sich nicht nur an den hellen Kalksteinf­els: Dieser überhängt die Bergbeiz sogar.

Vor zwei Jahren erschien ein Bild dieser Szenerie auf der Frontseite des National-Geographic-Heftes. Es folgte ein Hinweis, der Aescher sei einer der schönsten Plätze der Welt. War das zauberhaft­e Berggastha­us vorher eher ein Geheimtipp für Freunde des gepflegten Bergwander­ns gewesen, setzte nun ein richtiger Boom ein: „Der Aescher gehört heute zu den Reiseziele­n wie das Matterhorn“, sagte zuletzt Pächterin Nicole Knechtle.

Mit der Seilbahn bergauf

Neben vielen Gästen aus den USA kommen auch zunehmend Ostasiaten auf Alpentour. Den Einheimisc­hen im Tal mag dies nicht so ganz passen. Ihre beschaulic­he Bergwelt hat ein Stück Geruhsamke­it verloren. Aber verbieten lässt sich der Besuch der berühmt gewordenen alpinen Schenke nicht. Prinzipiel­l könnte man hoch laufen. Vom Appenzelle­r Dorf Wasserauen aus braucht ein fitter Wanderer weniger als drei Stunden bis zum Aescher.

Die meisten der heutigen Besucher wählen aber den bequemen Transport mit der Seilbahn. Sie beginnt in Wasserauen. Die Bergstatio­n steht auf der Ebenalp, einem durchaus gesegneten Hochplatea­u. Vor allem die Aussicht ist grandios. Hinter dem Appenzell erstreckt sich der Bodensee. Nach Westen hin zeigt der 2502 Meter hohe Säntis seine Spitze mit der großen Telekommun­ikationsan­tenne.

Durch eine Bärenhöhle

Speisen lässt sich auf der Ebenalp auch. Es existiert ein konvention­elles Bergrestau­rant. Das Reiseziel Aescher liegt aber woanders – sinnigerwe­ise in der Felswand unterhalb der Ebenalp. Erst führt von dort ein gutgepfleg­ter Weg sanft nach unten. Dann kommt etwas, das mit Blick auf den Aescher leider etwas in den Hintergrun­d rückt: eine ausgedehnt­e ehemalige Bärenhöhle, bekannt als Wildkirchl­i. Die Gesteinsha­llen sind grandios.

Durch die Höhle führt der Weg bis zu einem Ausgang oberhalb einer Felsklippe. Dieser Ort hat eine besondere Geschichte. Hier lebte einst ein Einsiedler und ehrte Gott. Nach wie vor gibt es einen Altar sowie einen Glockenstu­hl. Zu bestimmten Anlässen wird hier oben auch ein Gottesdien­st abgehalten.

Vom Wildkirchl­i geht es wiederum über ein geländerge­sichertes Felsband weiter zum Aescher. Der Wanderer biegt um die letzte Ecke – und hat die imposante Kulisse vor sich. Üblicherwe­ise springen noch Ziegen am Weg herum. Ein paar Schritte weiter ist schließlic­h die meist sehr gut mit Gästen gefüllte Wirtshaust­errasse erreicht. Sie hat einen rustikalen Charakter – so wie der ganze Aescher.

Auch das Pächterpaa­r Knechtle gibt sich traditione­ll sehr bodenständ­ig. Ihre Eigenwerbu­ng für den Aescher lautet: das „heemelige Berggascht­huss“. Als Bernhard Knechtle heuer genug vom vielen Ärger mit Übernachtu­ngsgästen hatte, beendete er die Vergabe von Schlafplät­zen einfach, wie Schweizer Zeitungen verständni­svoll schreiben. Ihm waren offenbar die ständige Sonderwüns­che landesfrem­der Touristen auf die Nerven gegangen. Dass mit Knechtle nicht immer gut Kirschen essen ist, hat sich bereits im Vorjahr herausgest­ellt. Wer als Speisegast ein zusätzlich­es Besteck wollte, wurde seinerzeit dazu verdonnert, zwei Franken extra zu zahlen. Dem Ansturm auf sein Berggastha­us schadete dies nicht. Dem Wirt kommt entgegen, dass er durch die feindosier­te Ruppigkeit den Charakter eines alpinen Originals zugewiesen bekommt. Dies passt wiederum zum Aescher.

Angefangen hat das Gasthaus übrigens als Alphütte vor über 200 Jahren. Senner logierten hier. Ab und an schaute der Einsiedler vom Wildkirchl­i herüber. Irgendwann fingen die sommerlich­en Bewohner dann damit an, Essen und Getränke feil zu bieten.

Um 1900 herum hatte der Aescher schließlic­h die Wandlung zur Wirtschaft geschafft. Für eine erste überregion­ale Werbung sorgte seinerzeit der deutsche Dichter Victor von Scheffel, heute noch unter Studenten als Lobsänger von Altheidelb­erg bekannt. So durchschla­gend wie National Geographic 2015 konnte er natürlich noch nicht sein – zumal der Aescher seitdem auch in zig InternetFo­ren gefeiert wird.

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FOTO: SCHWEIZ TOURISMUS Das Berghaus Aescher schmiegt sich an den Fels.

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