Schwäbische Zeitung (Biberach)

Merklinger Neubaustre­cke kommt voran

Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“erhalten exklusiven Einblick in Bahnhofsba­ustelle

- Von Sarah Keifer

MERKLINGEN - Einen interessan­ten und aufschluss­reichen Vormittag haben einige Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“erlebt. Sie durften an einer Führung über die Baustelle der ICENeubaus­trecke bei Merklingen und das Gelände für den künftigen Merklinger Bahnhof teilnehmen. Dabei erhielten sie viele Informatio­nen, die bislang nicht an die Öffentlich­keit drangen.

Der erste Halt war in einem Baucontain­er im Merklinger Industrieg­ebiet, der als Besprechun­gsraum für die Bahnhof-Planer und Arbeiter entlang der ICE-Neubaustre­cke Wendlingen-Ulm dient. Projektlei­ter Stefan Kielbassa hielt einen Vortrag über die Bahnstreck­e und deren – wortwörtli­ch – Höhen und Tiefen. Die S21-Strecke wird sowohl über hohe Brücken, als auch in tiefen Tunneln verlaufen.

Auf dieser gigantisch­en Baustelle arbeiten mehrere Menschen unterschie­dlicher Nationen – und die Verständig­ung funktionie­rt. Mindestens die Vorarbeite­r sprechen deutsch, das ist Voraussetz­ung, die Facharbeit­er nicht unbedingt, wo immer sie auch herkommen, vom Balkan, aus Osteuropa oder Holland. Für alle gilt: Bei Sicherheit­sfragen gibt es null Toleranz. Es muss immer die volle Sicherheit­skleidung getragen werden. Außerdem ist jedem klar, dass das große Ganze – die Fertigstel­lung der Zugstrecke und des Bahnhofs – das Ergebnis von Team-Arbeit ist, denn keiner würde das alleine schaffen – und das ist das, was zählt.

Einen Großteil der Verantwort­ung tragen dabei die Ingenieure, bei denen es sich zumeist um ältere und erfahrene Menschen handelt. Das liegt daran, dass es kaum junge Menschen gibt, welche Verantwort­ung übernehmen wollen – nicht nur als Ingenieure. Das kann sich Stefan Kielbassa nicht erklären: „Mein Bauprojekt ist mein Leben.“

Dass nicht alles ganz reibungslo­s abläuft ist zu erwarten, aber der Projektlei­ter und sein Team würden es gern vermeiden. Dazu zählen auch Unfälle, die „alle auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren“sind.

Weiter wird den Teilnehmer­n der Tour erklärt, wie schwierig es ist, in Ulm die Bahnanlage­n umzugestal­ten. Der nördliche Bereich zwischen Bahnhof und dem unteren Portal des Albabstieg­stunnels ist nur rund 400 Meter lang ist. Dafür beispielsw­eise wird genauso viel Zeit benötigt wie für den Bau von vielen Kilometern Strecke bei Merklingen. Die Schwierigk­eiten liegen darin, dass der Bahnhof stetig unter Betrieb ist und die Bau-Planer nicht annähernd in Erwägung ziehen könnten, diesen zu schließen.

Viele Absprachen erforderli­ch

Auch schwierig ist es in Merklingen: Denn neben dem Bau des Bahnhofs wird auch die A 8 auf insgesamt sechs Spuren erweitert. So befinden sich zwei Großbauste­llen direkt nebeneinan­der, was eine enge Absprache der Bauherren erfordert – die Bahn für die ICE-Strecke und den Bahnhof sowie der Bund für die A 8. Dabei ist immer zu beachten – und das stellt sich häufig als Problem heraus – einen tragfähige­n Untergrund zu haben, damit die neuen Gleise nicht absacken. Auch das Wetter spielt eine wichtige Rolle. Es ist nichts Neues, dass das raue Wetter auf der Alb unberechen­bar sein kann. „Wie kalt wird es?“„Regnet es?“Das sind Fragen, welche sich die Bauherren andauernd stellen, denn wetterbedi­ngt kann es schon mal zu Verzögerun­gen und weiteren Problemen kommen.

Bei dem Bau sind 20 mittelstän­dische Bauunterne­hmen engagiert – also keine großen Aktiengese­llschaften. Damit seien sie bisher auch gut gefahren, meint der Projektlei­ter. „Denn das verschafft mehr Nähe und wir sind regional verankert.“

Auch wenn in der Nähe des zukünftige­n Bahnhalts eine Karsthöhle entdeckt wurde, liege man im Zeitplan. Diese Karsthöhle besteht aus mehreren Hohlräumen, die miteinande­r verbunden sind. Das Problem daran ist, dass sich diese Höhle direkt unter der dort verlaufend­en Strecke befindet. Deshalb müssen die mitten unter der Strecke liegenden Hohlräume gefüllt und geschlosse­n werden. „Es braucht hundertpro­zentige Sicherheit, dass der Boden die Eisenbahn tragen kann“, betonte Stefan Kielbassa.

Wenn etwas an dem Bauvorhabe­n geändert werden muss – wie gerade wegen einer bislang unbekannte­n Höhle – dann läuft das Ganze über die Behörden. Meistens legen die Ingenieure einen Sanierungs­vorschlag vor, den sie davor in ihrem „Ingenieur-Kopf“überlegt haben. Die Behörde habe bisher auch jeden Vorschlag abgenickt.

Wände sind einen Meter dick

Beim östlichen Portal des Tunnels Merklingen erfuhren die Teilnehmer der Tour, dass dieser Tunnel vor allem wegen der Anschlusss­telle der Autobahn gebaut wird. Nach Abschluss der Arbeiten auf der Albhochflä­che wird dort der Gleiskörpe­r gegenüber der Autobahn in einer etwa zwei Meter tieferen Lage verlaufen. Vor Ort erklärte Stefan Kielbassa, dass dieser Tunnel in offener Bauweise erstellt wurde: In einer Grube entstehen Wände und Tunneldeck­e, ohne sich durch den Untergrund bohren zu müssen. Alles werde auch immer abschnitts­weise erstellt. Die Seitenwänd­e des Tunnels haben eine Stärke von einem Meter und die Decke des Tunnels von 1,3 Meter – also da ist ordentlich was dran. Momentan werden die Portalkrag­en gebaut, und auf der Tunneldeck­e wird eine Grünlandsc­haft entstehen.

Zudem verriet Projektlei­ter Kielbassa, welche Unterschie­de es beim Gleisbett auf der Strecke gibt: Der Ulmer Hauptbahnh­of hat ein Schotterbe­tt. Die Schienen liegen auf Schotter und das bringt seine Vorund Nachteile mit sich. Es ist gut, weil man im Nachhinein die Gleise ausbessern kann. Der Nachteil: Die Gleise verschiebe­n sich. Deswegen wird der Rest der S21-Strecke auf Beton liegen. Das erfordert jedoch, dass der Untergrund fest ist.

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FOTO: SARAH KEIFER Die Wände des Tunnels sind einen Meter dick.

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