Schwäbische Zeitung (Biberach)
Menschen zieht es im Alter in die Stadt
Demografiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg besucht erstmalig Bürgergenossenschaften Biberach
BIBERACH - Welche Folgen hat der demografische Wandel für den Wohnungsbau in der Region? Dieser Frage sind die Verantwortlichen der Bürgergenossenschaften Biberach bei ihrem ersten Treffen mit dem Demografiebeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Thaddäus Kunzmann, nachgegangen. „Der Siedlungsdruck nimmt auch im ländlichen Raum zu“, sagte Kunzmann am Dienstag.
Wenn die Kinder aus dem Haus sind und im Haushalt beziehungsweise Garten nicht mehr alles so leicht von der Hand geht, überlegen einige ältere Menschen, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Möglichst sollte diese dann in Biberach liegen, damit die Wege zum Einkaufen, zum Arzt oder zu Freizeitaktivitäten kurz ausfallen. Das Problem dabei: „In Biberach wird hochpreisig gebaut, verkauft und vermietet“, sagt Hubertus Droste, Vorsitzender der Bürgergenossenschaften Biberach.
Nicht alle könnten es sich ohne Weiteres finanziell leisten, ins Stadtgebiet zu ziehen. „Für viele Senioren ist das aber wichtig, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes mitten im Leben sein wollen“, ergänzt Kunzmann. Deshalb beriet der Demografiebeauftragte die Bürgergenossenschaften, wie und welche Fördermittel sie für ihre Wohnbauprojekte beantragen können. Aufgabe des Demografiebeauftragten ist, als Ansprechpartner für Bürger, Kommunen, Wirtschaft und soziale Akteure im Land zu dienen und die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen sowie Lösungskonzepte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Unter anderem gibt es die Möglichkeit, ein zinsgünstiges Darlehen über die L-Bank zu erhalten, sofern die Bürgergenossenschaften Sozialwohnungen bauten, erläutert Kunzmann. „Einziehen darf dann nur der, der auch einen Berechtigungsschein hat. Oftmals sind auch Rentner darunter.“Den sozialen Wohnungsbau sieht er nicht zwingend nur als Aufgabe des Staates. Diese Ansicht teilt auch Droste: „Der Staat muss sozialen Wohnungsbau ermöglichen, sprich solche Projekte finanziell fördern.“Der soziale Wohnungsbau sei in Deutschland bis zu dem Tag gut gelaufen, bis die Förderungen reduziert worden seien. Kunzmann sagte: „Im Nachhinein betrachtet war das ein Fehler.“
Bei dem Treffen ging es aber nicht nur um den Bau von Wohnungen, sondern auch um die Planung von Baugebieten. „Damit sich Jüngere und Ältere helfen können, sollten durchmischte Baugebiete entstehen“, sagt Droste. „Wenn ein Baugebiet nur für junge Familien geplant wird, leben in 40 Jahren dort nur noch Rentner und dann stellt sich die Versorgungsfrage.“Für Droste ist das Baugebiet „Hauderboschen“ein positives Beispiel in Sachen durchmischte Gebiete. Auch die Bürgergenossenschaften wollen dort Wohnungen für ihre Mitglieder errichten – getreu dem Motto: „Wohnen, Leben und Helfen.“
Pflege spielt keine zentrale Rolle
Weniger ging es am Dienstag um das Thema Pflege. „Ich versuche die Pflege nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Kunzmann. Wohnen, digitale Infrastruktur, bürgerschaftliches Engagement – das beschäftige die Menschen im Alter häufig mehr als die Pflege. Zudem müsse alles dafür getan werden, damit die Menschen so lange wie möglich zu Hause wohnen können: „Es darf nicht sein, dass jemand ins Pflegeheim muss, nur weil ihm daheim die Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Ärzten fehlt.“