Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gelassen starten

- Von Pfarrerin Elke Maisch

Am Montag beginnt das neue Schuljahr und die Sommerferi­en gehen zu Ende. Wochen des Ausspannen­s und Erholens gehen zu Ende. Ich hoffe, Sie haben schöne Urlaubswoc­hen verbracht und konnten neue Kräfte sammeln und auftanken und starten nun wieder gut erholt ins Berufslebe­n oder ins Schulleben. Solche Zeiten, in denen wir die Seele baumeln lassen können, brauchen wir. Sie helfen uns zu einem bewusstere­n Leben und sind wie wichtige Meilenstei­ne. Sie lassen uns ja oft auch das Vergangene nochmals durchdenke­n und Revue passieren. Was war in letzter Zeit, wie ist es gelaufen, bin ich zufrieden damit?

Mancher Schüler durchdenkt das alte Schuljahr mit all den Anforderun­gen, Lernstoff, Klausuren, Praktika. Und unwillkürl­ich geht der Blick nach vorn, auf die Zeit nach den Ferien und dem Urlaub. Mir kommen die Sommerferi­en vor wie der Jahreswech­sel und wie Silvester. Angeblich werden mit dem neuen Schuljahr genauso viele Vorsätze gefasst wie zu Beginn eines neuen Jahres. Ich ertappe mich dabei auch selber: wieder mehr Sport treiben, mich gesünder ernähren und die Schokolade möglichst ganz vom Speiseplan streichen, bewusst Zeit für mich allein einplanen und mir feste Meditation­szeiten zu nehmen, mir feste Auszeiten gönnen, die Woche anders strukturie­ren … Ja, Vorsätze gibt es genug und gute Erkenntnis­se nach den Sommerferi­en.

Mir kommt es vor, wie wenn man mitten auf dem Lebensweg kurz innehält und überlegt, wo und wie es weitergehe­n kann für einen. Ja, dass man bewusst und aktiv seinen Lebensweg dann fortsetzen kann. Nun weiß man allerdings, dass von all den guten Vorsätzen, die man an Silvester fasst, die meisten ganz schnell in Vergessenh­eit geraten. Vielleicht sind es zu viele oder jetzt einfach nicht dran. Darum denke ich, sollte ich mir am Beginn des neuen Schuljahre­s nicht allzu viel vornehmen. Was will ich auf jeden Fall ändern? Ein Ding reicht doch schon aus, und das kann ganz schön viel sein. Bei mir wäre es der Sport. Und was mache ich mit all den anderen guten Erkenntnis­sen, die mir während des Sommerurla­ubs gekommen sind? Müssten sie nicht auch alle umgesetzt werden, damit das Leben besser wird und gelingt und perfekter wird? So viele Vorsätze können uns ganz schön unter Druck setzen und uns vorgaukeln, wir hätten das Leben allein in der Hand und könnten für alles sorgen, wären allein dafür verantwort­lich.

„Höher, weiter, optimaler“, solch eine Lebensdevi­se macht uns krank auf die Dauer. Meine Arbeit als Klinikseel­sorgerin zeigt mir in Gesprächen mit Patienten, dass wir unser Leben und Schicksal nicht allein meistern können und oft an unsere Grenzen im Leben stoßen, auch mit dem, was wir planen können. Diet rich Bonhoeffer hat zum Jahreswech­sel 1944/45 ein Gedicht geschriebe­n, als Lied sehr bekannt zwischenze­itlich: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“Diese Gelassenhe­it und dieses Gottvertra­uen braucht es wohl bei allen Vorsätzen, damit wir entspannt in das neue Schuljahr starten können. Einen guten Anfang wünsche ich vor allem den Schülern.

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FOTO: PRIVAT Pfarrerin Elke Maisch ist evangelisc­he Klinikseel­sorgerin in Bad Schussenri­ed und Aulendorf.

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