Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die umzingelte Festung mitten in Ulm
Gefangen von Kreisverkehr und Bundesstraße: Das Schattendasein des Blaubeurer Tors
ULM - Wer unter Angst vor Spinnen leidet, sollte vorsichtig sein: 30 Jahre lang war das Innere des Blaubeurer Tors eine Lagerstätte für Ulmer Bauhof-Materialien. Tageslicht kam nur selten in das historische Gebäude. In einem Deal mit der Stadtverwaltung erreichte der Förderkreis Bundesfestung Ulm nun, dass das Blaubeurer Tor museal genutzt werden kann – und die Mitglieder dafür jene 30 Kubikmeter Schutt, 20 Kubikmeter Altholz und fünf Kubikmeter Metall entsorgen, die sich im Inneren der Anlage befanden.
Das ist bereits weitgehend geschehen, nur lagerndes Historisches soll in den Gewölben bleiben. Am kommenden Sonntag ist es dafür erstmals im Rahmen des Tags des offenen Denkmals zu besichtigen. Im Wiederaufbau-Streit der 50er-Jahre war das Blaubeurer Tor – eines der beiden wichtigsten Tore der Bundesfestung Ulm und bis 1904 benutzt – hart umkämpft: Die Anhänger der Moderne wollten es komplett beseitigen, während die am alten Stadtbild Orientierten das kaum beschädigte Tor bewahren wollten.
So entstand ein städtebaulicher Kompromiss, der heute merkwürdig anmutet: Mitten im großen Kreisverkehr des Blaubeurer Rings steht isoliert und teilweise unter einer B 10Brücke ein Tor, das sich architektonisch der Gestalt römischer oder mittelalterlicher Stadttore annähert und zwei zinnenbewehrte Rundtürme hat.
Kein Prunkbau entstanden
Dabei handelt es sich wohl um eine Idee des preußischen Majors Moritz von Prittwitz und Gaffron, der für den Bau der Festung Ulm vom württembergischen König zum Festungsbaudirektor ernannt worden war. Von der Fassade des Tors zur Innenstadt hin wurden für den Bau der Brücke in den 60er-Jahren zwei Meter Das Blaubeurer Tor öffnet am Tag des offenen Denkmals.
Höhe entfernt, sodass die Zinnen auf dieser Seite fehlen. Symbolwert erhielt das Blaubeurer Tor gerade durch diese Auseinandersetzungen; es steht heute für den baukünstlerischen Wert der größten Festungsanlage Europas. Das Vortor des Blaubeurer Tors dagegen wurde geschleift.
Auch wenn Prunk und Pomp angesichts knapper Finanzmittel beim Festungsbau keines der Ziele des Deutschen Bundes gewesen waren und man sogar auf das Emblem des Adlers verzichtete, das zwischen den beiden mächtigen Rundtürmen stadtauswärts geplant gewesen war, passt das Gebäude doch ins Motto des diesjährigen Tags des offenen Denkmals, das „Macht und Prunk“lautet. Denn eine Machtdemonstration im Sinne eines „Ich zeige, wer ich bin!“sei das Blaubeurer Tor allemal, sagt Matthias Burger, Vorsitzender
des Förderkreises Bundesfestung. Burger möchte mit der Öffnung des Blaubeurer Tors am kommenden Sonntag auch auf den sich stetig verschlechternden Bauzustand des Wahrzeichens hinweisen. An der stadtauswärts gerichteten Fassade sind zahlreiche Ziegel abgeplatzt, in die Innenräume dringt Wasser ein. „Das Tor muss auf die Sanierungsliste der Stadt, sonst verfällt es.“Zudem mussten die Entsorgungsbetriebe der Stadt Ulm (EBU) um das Tor herum jede Menge Müll entsorgen.
Was erwartet die Besucher hinter dem großen Tor mit dem rostigen Schlosskasten, den Fördervereinschef Burger nur mit Anstrengung öffnen kann? Nur wenige Lebende kennen diese Gewölbe, die auch einmal als Luftschutzkeller dienten, und vermutlich noch weniger Menschen waren je im Untergeschoss, dem Brückenkeller, der früher zur Aufnahme des Gewichts und eines Teils der Klappbrücke des Tors diente. Er wurde später vermauert und ist nur noch zum Teil zu sehen.
Steinerner Torso eines Pferdes
Erstaunliches entdeckt der Besucher im spärlichen Licht im Eingangsbereich: Der steinerne Torso einer Pferdestatue stand wohl einst auf einem Brunnen in den Ehinger Anlagen, überdacht vermutlich von einem ebenfalls im Schutt entdeckten Baldachin. Woher eine wohl aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammende Platte mit einem einander zugewandten Paar stammt, weiß auch Matthias Burger noch nicht.
Das Blaubeurer Tor hat am Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.