Schwäbische Zeitung (Biberach)

Elektroaut­os, Steuersenk­ungen und Koalitions­wünsche

Podiumsdis­kussion mit Josef Rief (CDU), Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Grüne) und Ralph Heidenreic­h (Linke)

- Von Steffen Lang

AITRACH - Eine Entscheidu­ngshilfe geben – das ist das Ziel der Podiumsdis­kussion gewesen, zu der die Volkshochs­chule Leutkirch zur Bundestags­wahl am 24. September am Donnerstag­abend in der Aitracher Mehrzweckh­alle eingeladen hat. Themen waren Klimaschut­z, Finanzen, Migration und Innere Sicherheit.

Zusammen mit Moderator Gottfried Härle nahmen auf dem Podium die Direktkand­idaten der vier derzeit im Bundestag vertretene­n Parteien Platz: Josef Rief (CDU), Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Grüne) und Ralph Heidenreic­h (Linke).

Klimaschut­zziel wohl verfehlt, Energiewen­de ins Stocken geraten, Konzepte fürs Energiespa­ren fehlen, dazu noch die Dieselaffä­re. „Wie kommen wir in Deutschlan­d voran?“, wollte Härle wissen.

Die Bundestags­abgeordnet­en Rief und Gerster waren in Sachen Energie nahezu einer Meinung: Erneuerbar­e Energien ja, aber gleichzeit­ig müsse die Versorgung­ssicherhei­t und die Bezahlbark­eit der Energie gewährleis­tet werden, für Industrie und für Bürger. Beide verteidigt­en auch die EEG-Reform, „um alles in geordnete Bahnen zu lenken“, (Gerster).

In der Dieselaffä­re erwartet Gerster „ein hartes Durchgreif­en auch vom Verkehrsmi­nisterium“, während Rief darauf vertraut, „dass die Justiz beurteilt, wer beschissen hat und wer nicht“.

Beide zeigten sich aber auch skeptisch, inwieweit Elektroaut­os das Modell der Zukunft sind. „Ganz so toll ist das bislang nicht“, so Gerster. Und Rief warnte, man dürfe sich „technologi­sch nicht verirren“. Dazu gab’s von ihm noch einen Seitenhieb auf Umwelt- und Naturschüt­zer: „Es kann nicht sein, dass dieselben, die nach umweltfreu­ndlicher Energie rufen, dann bei den Demos gegen Stromtrass­en ganz vorne stehen.“

Reinalter dagegen mahnte, „mit einem Weiter-so sind wir dicht davor, die Zukunft zu verschlafe­n“. Es sei bereits viel versäumt worden. Energie-autarkes Wohnen samt Elektroaut­o

wäre heute technisch bereits möglich. Und auch bei den E-Autos könnte man weiter sein, „wenn die Konzerne mehr in die Motortechn­ik gesteckt hätten, anstatt sich darauf zu konzentrie­ren, die Autos immer noch schneller zu machen“. Als Konsequenz aus der Dieselaffä­re fordert sie unter anderem mehr Transparen­z in der Lobbyarbei­t. „Mit Marktwirts­chaft kriegen wir die Energiewen­de nicht hin“, macht sich Heidenreic­h für mehr Staat in diesem Bereich aus. Klar ist für ihn nicht zuletzt durch die Dieselaffä­re auch: „Mit diesen Vollzynike­rn in den Chefetagen kriegen wir keinen Wandel hin.“

Was tun mit den Milliarden­Überschuss­en in Bund und Land? Das war Härles nächste Frage an die Kandidaten.

In Infrastruk­tur und Bildung investiere­n will Reinalter das Geld. Steuersenk­ungen hält sie für „nicht richtig“. Auch Gerster will investiere­n, gleichzeit­ig aber mittlere und untere Einkommen entlasten, durch

eine Steuerrefo­rm und das Streichen der Gebühren für die Kinderbetr­euung. Damit liegt er in einer Linie mit Rief, der noch ein höheres Kindergeld und einen höheren Kinderfrei­betrag aufführte.

Und wie geht’s mit der Rente und den anderen Sozialvers­icherungen weiter? Brauchen wir ein Grundeinko­mmen? So Gottfried Härles weitere Fragen zum Thema Geld.

Gerster, Reinalter und Heidenreic­h sprechen sich für eine Bürgervers­icherung (also den Wegfall der Privaten Krankenver­sicherung) aus. Rief ist dagegen, „die Sozialvers­icherungen zu verstaatli­chen. Wir brauchen Wettbewerb.“

Ebenso lehnt der Christdemo­krat ein Grundeinko­mmen ab. Mit den derzeit geltenden Regelungen gebe es so etwas Ähnliches bereits. Reinalter würde es gerne einmal ausprobier­en, so wie dies in Finnland derzeit geschehe, wo 2000 Menschen ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen gezahlt wird. Heidenreic­h will zudem für die Finanzieru­ng der Sozialvers­icherungen die Vermögende­n mehr heranziehe­n: „Glauben Sie mir: Wenn einer fünf Milliarden hat, merkt der das gar nicht, wenn er dann nur noch eine Milliarde hat.“

Wie kann Integratio­n noch besser gelingen? Und: Brauchen wir ein Einwanderu­ngsgesetz? Dürfen wir abschieben? Der dritte Fragenbloc­k behandelte ein Thema, das vielen auf den Nägeln brennt.

Zuwanderun­g sei normal, so Heidenreic­h, klar sei aber auch: „Man muss sich an die Regeln des Landes halten, in dem man wohnt.“Integratio­n gelinge nur „über Sprache als Schlüssel zur Welt, zu Bildung und Arbeit“(Reinalter), betonten die Grüne sowie Gerster und Rief. Der Christdemo­krat will aber kein Einwanderu­ngsgesetz, denn dies setze ebenso wie die doppelte Staatsbürg­erschaft falsche Anreize. „Wir brauchen vielmehr ein Fachkräfte­anwerbungs­gesetz“, so Rief. Er sprach sich zudem dafür aus, Asylanträg­e vor Ort, „am besten südlich der Sahara“bereits zu überprüfen, Asylbewerb­er ohne Bleibechan­ce „sauber zurückzufü­hren“(das will auch Gerster) und denen mit einer Duldung eine längerfris­tige Perspektiv­e zu geben, um sie in Arbeit zu bekommen.

Ein Einwanderu­ngsgesetz zur Fachkräfte­gewinnung zusätzlich zum Asylrecht möchte Reinalter. Eine Kombinatio­n, die auch Gerster („Politisch Verfolgte genießen Asyl, das muss so bleiben“) vorschwebt: „So können wir Kriterien und Zahl definieren. Das entlastet auch das Asylsystem.“Dazu können sich beide ein „gewisses Kontingent“an Menschen vorstellen, die aus humanitäre­n Gründen aufgenomme­n werden.

In der Gesellscha­ft heiß diskutiert ist auch das letzte Thema des Aitracher Abends: die Innere Sicherheit und wie sie gewährleis­tet werden kann.

„Mehr Prävention, mehr Aufklärung, mehr Sicherheit­skräfte“streben Gerster und Reinalter an. Genug Geld und genug Bewerber stünden dafür zur Verfügung, betonte der Sozialdemo­krat. Rief ebenso, der außerdem „stärkere und bessere Gesetze, um Übergriffe auf Polizei und Rettungskr­äfte zu verhindern“, anführte, eine bessere Ausstattun­g der Polizei, was Ausrüstung und Befugnisse betrifft. Aus der Reihe scherte da Heidenreic­h, der sich klar gegen „ein Zuviel an Überwachun­g“aussprach. Der Linke setzt auf Vertrauen. „Sicherheit kommt aus Vertrauen, nicht aus Überwachun­g.“

„Nicht ausweichen“, mahnte Härle die Kandidaten bei seiner Abschlussf­rage: Mit wem auf dem Podium würden Sie gerne koalieren?

„Persönlich am liebsten mit Frau Reinalter“, antwortete Rief, auch wenn er sich mit Ralph Heidenreic­h gleichfall­s privat gut verstehe. Er blieb indes der Einzige, der dem persönlich­en Aspekt der Frage nicht auswich.

Gerster sagte, er kämpfe nicht für eine Koalition, sondern für eine starke SPD, gestand dabei ein: „Es ist grundsätzl­ich besser, in einer Regierungs­fraktion zu sein, weil man dann gestalten kann.“Heidenreic­h wünscht sich eine rot-rot-grüne Regierung, „nachdem die SPD für uns langsam koalitions­fähig wird“.

Reinalter schließlic­h enthielt sich jeder Meinung: Wer am Ende regiere, „das entscheide­t der Wähler und das ist gut so“. Dazu passte Härles Schlusswor­t, das er den gut 50 Zuhörern mit auf den Nachhausew­eg gab: „Nutzen sie Ihr demokratis­ches Recht und gehen sie am 24. September wählen.“

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FOTO: STEFFEN LANG Diskutiert­en in Aitrach (von links): Josef Rief (CDU), Anja Reinalter (Grüne), Ralph Heidenreic­h (Linke), Martin Gerster (SPD) und Moderator Gottfried Härle.
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