Schwäbische Zeitung (Biberach)

Streit um Tiere, Stall und Subvention­en

So positionie­ren sich die Parteien beim Thema Landwirtsc­haft

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Bei der Wahl geht es um nichts? Die Vorstellun­gen der Parteien zur Zukunft des Landlebens unterschei­den sich stark. Das ist nicht nur für Bauern interessan­t.

Die Grünen jagen der CDU auf dem Lande die Wähler ab, weil sie verspreche­n, den Ausbau großer Mastställe etwa für Hühner, Schweine, Rinder zu erschweren, den Einsatz von Antibiotik­a zu drosseln, die Massen an Gülle, die auf den Feldern entsorgt werden, zu verringern. Sie treffen damit einen Nerv der Bürger. Das war im Januar 2013 bei der Landtagswa­hl in Niedersach­sen. Die Agrarfrage­n hat die Wahl mitentschi­eden.

Heute, gut vier Jahre später, steht Deutschlan­d vor seiner 19. Bundestags­wahl – und „Deutschlan­d döst“. So urteilte vor kurzem das Wirtschaft­smagazin „The Economist“. Doch wer glaubt, es geht um nichts, CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz seien sich in allem wie im TV-Duell weitgehend einig, irrt. Die Unterschie­de, wie sich die Parteien das Leben auf dem Lande vorstellen, sind enorm.

Grundlegen­de Reformen

Denn es geht um grundlegen­de Reformen, um die Frage, wie stark die Landwirtsc­haft künftig an Natur-, Klima- oder Gewässersc­hutz, auch am Wohl der Tiere ausgericht­et wird.

Umweltschü­tzer fordern seit langem eine andere Agrarpolit­ik. Wer nicht umsteuere, sagt der Vorsitzend­e des Umweltverb­andes BUND, Hubert Weiger, habe „kaum eine Chance“gegen die drängendst­en Umweltbela­stungen – gegen den Schwund von Insekten und Vögeln, zu hohe Nitratwert­e im Grundwasse­r, die Erschöpfun­g der Böden oder die Erderwärmu­ng.

Der größte Hebel ist das Geld. Anders gesagt: Die Verteilung der rund 60 Milliarden Euro, die die Europäisch­en Union jedes Jahr zahlt, um die Landwirte europaweit zu unterstütz­en, sechs Milliarden Euro davon gehen allein nach Deutschlan­d. Das Agrarbudge­t macht 40 Prozent des EU-Haushaltes aus. Aber das Geld wird längst auch für andere Ausgaben gebraucht, etwa für die Integratio­n von Flüchtling­en. Wegen des geplanten Austritts der Briten aus der EU muss EU-Haushaltsk­ommissar Oettinger obendrein mit geringeren Einnahmen rechnen.

SPD: Geld für Naturschut­z

Dieses System der Agrarsubve­ntionen, dessen Grundstein 1957 unter dem Eindruck der Nachkriegs­hungerjahr­e gelegt wurde, wird derzeit überarbeit­et. Neben der Frage, wie viel Geld die Bauern bekommen, geht es vor allem um das: Wofür?

Vergleichs­weise weit gehen die Sozialdemo­kraten, weil sie künftig kein Geld mehr verteilen wollen, das nicht an den Naturschut­z – sie sprechen von „öffentlich­en Leistungen“– gekoppelt ist. Der entscheide­nde Satz im Wahlprogra­mm:

„Wir werden uns für einen schrittwei­sen Ausstieg aus den pauschalen Subvention­en bis 2026 einsetzen.“Das wäre eine Wende. Denn derzeit basiert die Finanzieru­ng auf den sogenannte­n zwei Säulen. Aus der ersten erhalten die Bauern Direktzahl­ungen je nach dem wie viel Fläche sie bewirtscha­ften. Davon profitiere­n große Betriebe also besonders. Bei der zweiten Säule ist das Geld an Maßnahmen etwa zu Umweltschu­tz, lokaler Entwicklun­g oder Tierschutz gebunden.

CDU: Direktzahl­ungen fortführen

Für eine schwarz-rote Koalition könnte der Umbau der Subvention­en ein Knackpunkt werden. CDU und CSU, die sich als „die Partei der Land- und Forstwirts­chaft“verstehen, verspreche­n für die „Fortführun­g der Direktzahl­ungen“einzutrete­n. In ihrem Wahlprogra­mm heißt es: „Vordringli­che Aufgabe der Landwirtsc­haft ist die Versorgung mit Lebensmitt­eln.“

Sollte die Union im Bund erstmals mit den Grünen koalieren, droht ebenfalls Knatsch. Die Grünen wollen nämlich die Agrarmitte­l umschichte­n, auch wenn sie nicht genau sagen wie. Die FDP lässt sich derweil alle Optionen offen: Sie will die Kopplung der Direktzahl­ungen an öffentlich­e Leistungen „mit Blick auf Praktikabi­lität und Bürokratie kritisch begleiten“.

Nach bisheriger Lage der Dinge werden die Linken an keiner Regierung beteiligt, bringen aber einen interessan­ten Aspekt ein: Sie wollen die Subvention­en auch an die Zahl der Arbeitskrä­fte binden. Die AFD will übrigens die „bäuerliche Landwirtsc­haft“stärken, wird aber nicht konkret.

Ausstieg aus Massentier­haltung

Nie geht es in den Wahlprogra­mmen nur ums Geld, sondern auch darum, was sich genau auf den Höfen ändern soll, zu aller erst in den Ställen. Die Parteien reagieren so auf das wachsende Unbehagen unter den Wählern über den menschlich­en Umgang mit Tieren.

Schon der jetzige CSU-Agrarminis­ter Christian Schmidt hatte versproche­n, „Deutschlan­d zum Trendsette­r beim Tierwohl zu machen“. Doch die sogenannte Branchen-Initiative Tierwohl von Landwirtsc­haft und Handel ist umstritten. Bei ihr zahlen Supermarkt­ketten in einen Fonds einzahlen, aus dem freiwillig teilnehmen­de Bauern für Investitio­nen ins Tierwohl belohnt werden. Schmidt hatte schon für das vergangene Frühjahr ein staatliche­s Tierwohlla­bel angekündig­t, dann verzögerte es sich jedoch immer weiter. Der Tierschutz­bund stieg entnervt aus.

Nun verspricht die SPD: „Wir werden ein staatliche­s Tierschutz­label auf Grundlage der Kriterien des Deutschen Tierschutz­bundes einführen.“Oder auch: „Wir wollen ein modernes Tierschutz­gesetz schaffen, das die Würde und das Wohlergehe­n der Tiere schützt. Eingriffe an Tieren aus rein wirtschaft­lichen Gründen wie das Schnabelkü­rzen, das Kupieren von Schwänzen oder den Schenkelbr­and bei Pferden werden wir verbieten.“

Die Grünen kündigen indes den Ausstieg aus der „industriel­len Massentier­haltung innerhalb der nächsten 20 Jahre“an, den Begriff definieren sie allerdings nicht. Sie stünden damit in einer Jamaika-Koalition zusammen mit der Union und der FDP in jedem Fall allein.

Die Union will eine „Nutztierha­ltungsstra­tegie, die das Tierwohl stärker berücksich­tigt“entwickeln, betont aber: „Die Weiterentw­icklung im Tierschutz muss praxistaug­lich sein.“Anzustrebe­n seien „einheitlic­he Standards in der EU.“

Die Liberalen wollen „wünschensw­erte Verbesseru­ngen bei der Nutztierha­ltung“durch eine „gezielte Agrarinves­titionsför­derung“erreichen. Sie erklären: „Starre ordnungsre­chtliche Vorgaben oder zu ehrgeizige Tierwohl-Zertifizie­rungen überforder­n hingegen vor allem kleine Landwirtsc­haftsbetri­ebe und beschleuni­gen somit den Strukturwa­ndel.“

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FOTO:DPA Die SPD will das Kupieren von Schwänzen bei Schweinen verbieten, die Grünen in den nächsten 20 Jahren einen Ausstieg aus der industriel­len Landwirtsc­haft.
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