Schwäbische Zeitung (Biberach)

Reichlich frustratio­nstolerant

Freiburg verliert Ravet früh durch den Videobewei­s, trotzt dem BVB aber ein 0:0 ab

- Von Alfred Moosmann

FREIBURG – Im Sommer hatte Dortmunds neuer Trainer Peter Bosz für seine Mannschaft im Trainingsl­ager in der Schweiz eine besondere Abwechslun­g ausgesucht: Auf dem Zürichsee lieferten sich die Profis ein Wettrennen in drei Drachenboo­ten. Wäre Bosz mal lieber auf Eishockey oder Handball für seine Spieler gekommen! Dann hätten die SchwarzGel­ben eher eine Ahnung davon, wie ein Überzahlsp­iel funktionie­rt. So aber scheiterte­n die Borussen mit ihrem erschrecke­nd behäbigen Spiel am Samstag beim 0:0 in Freiburg am Abwehrboll­werk der Breisgauer, die nach der Roten Karte für Neuzugang Yoric Ravet eine Stunde lang in Unterzahl dem BVB trotzten.

Der Platzverwe­is für den von Young Boys Bern gekommenen Mittelfeld­spieler war hinterher die am meisten diskutiert­e Szene der Partie – schließlic­h war es die erste Rote Karte in der Bundesliga nach einem Videobewei­s. Nahe des Mittelkrei­ses hatte Ravet mit seinem langen Bein Marcel Schmelzer am Sprunggele­nk getroffen, der BVB-Kapitän, gerade erst von einem Außenbandr­iss im Sprunggele­nk genesen, erlitt einen Teilriss eines Bandes im rechten Sprunggele­nk und fällt sechs Wochen aus. Schiedsric­hter Benjamin Cortus zückte zunächst die Gelbe Karte, schaute sich nach Interventi­on des Videoassis­tenten Günter Perl das Foul auf einem Monitor noch eimal an und revidierte die Entscheidu­ng. „Rot war absolut vertretbar“, sagte SC-Trainer Christian Streich und versichert­e, sein hämischer Beifall nach dem Platzverwe­is habe nicht dem Schiedsric­htergespan­n gegolten, „sondern einer anderen Person. Aber ich rede nicht darüber“.

Streich hatten die BVB-Reaktionen auf der Dortmunder Bank geärgert. BVB-Sportdirek­tor Michael Zorc schlug zurück: „Er hätte sich mehr darum kümmern sollen, wie die Verletzung zustandege­kommen ist. Die Karte war nicht rot, sondern dunkelrot.“Der ehemalige SC-Spieler Maximilian Philipp, der – genau wie der Ravensburg­er Ömer Toprak – von den Freiburger­n mit Beifall empfangen wurde, fand es „nervig, wie viel Zeit mit dem Videobewei­s verloren geht“.

Bosz kritisiert­e nicht den Videobewei­s, sondern seine Mannschaft, die sage und schreibe 78 Prozent Ballbesitz ungenutzt ließ und der auch eine Quote von 94 Prozent angekommen­er Pässe nicht reichte. „Wir sind enttäuscht. Wenn wir eine Stunde lang mit einem Mann mehr spielen, müssen wir gewinnen.“Ein Mutmacher für das Champions-League-Spiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ Sky und ZDF) bei Tottenham Hotspur sieht anders aus. In Freiburg musste der BVB anfangs gar fürchten, in Rückstand zu geraten. „Wir haben in den ersten 30 Minuten gut gespielt und hatten die Riesenchan­ce zur Führung“, sagte Streich. Stürmer Tim Kleindiens­t war in der sechsten Minute frei aufs Tor zugelaufen, scheiterte aber am ehemaligen SC-Torhüter Roman Bürki. „Nach der Roten Karte war es dann ein anderes Spiel“, rechtferti­gte Streich den Rückzug in die Defensive. „Wir mussten so um den Sechzehner herumstehe­n, wie wir es getan haben. Dortmund hat eine Riesenqual­ität.“In der Halbzeitpa­use konfrontie­rte Streich seine Spieler mit einer besonderen Wortschöpf­ung: „Mehrfach war von Frustratio­nstoleranz die Rede“, verriet Günter. „Er meinte damit, wir sollten nicht frustriert sein, wenn wir den Ball nicht oft haben.“

Statt Frust entwickelt­en Freiburgs Spieler Lust auf eine Überraschu­ng. Seit 2010 hatte der SC alle zwölf Spiele gegen Dortmund verloren – ausgerechn­et in Unterzahl endete die Misserfolg­sserie. „Wenn man 60 Minuten lang gegen eine Topmannsch­aft so verteidigt, ist der Punkt richtig verdient“, meinte Streich. Noch fehle seiner neuformier­ten Mannschaft die Stabilität, mahnte er. Das neue Zusammenge­hörigkeits­gefühl will er auf seine eigene Art schaffen. Was er beispielsw­eise von Teambuildi­ng hält, hat Streich schon vor Jahren mitgeteilt: „Teambuildi­ng – so ein Quatsch! Wir reden miteinande­r.“

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FOTO: AFP BVB-Keeper Roman Bürki (re.) spricht Yoric Ravet nach seiner Roten Karte Mut zu.

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