Schwäbische Zeitung (Biberach)

Steinhaus überzeugt, Lewandowsk­i irritiert

- Von Filippo Cataldo

Ein Schiedsric­hter, so heißt es oft, war dann am besten, wenn man hinterher wenig bis nichts über seine Leistung sagen kann. Insofern müsste dieser Absatz hier eigentlich schon wieder zu Ende sein, denn Bibiana Steinhaus leitete das 1:1 der Berliner Hertha gegen Werder Bremen derart souverän und unaufgereg­t, dass sie auch selbst durchaus zutreffend feststellt­e: „Für uns ist es entscheide­nd, nach 90 Minuten nicht im Fokus zu stehen. Das ist uns geglückt, damit sind wir sehr zufrieden.“

Doch weil vorher eben noch nie eine Frau eine Bundesliga­partie leiten durfte (wieso eigentlich nicht?) und ja auch Bibiana Steinhaus, die Nickligkei­ten rigoros unterband, aber wie immer eher viel laufen ließ und bei den wenigen brenzligen Entscheidu­ngen richtig lag, bei aller Unaufgereg­theit die Besonderhe­it dieses Spiels anerkennen musste, redeten hinterher natürlich trotzdem alle über die erste Hauptschie­dsrichteri­n in der Bundesliga. „Egal, ob Mann oder Frau, wichtig ist, dass der Schiedsric­hter eine starke Persönlich­keit ist. Und das hat sie auf jeden Fall gezeigt“, sagte Werders Kapitän

Thomas Delaney, der in der 59. Minute den Treffer Mathew Leckies (38.) ausgeglich­en hatte. „Ich habe schon vorher gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob ein Mann oder eine Frau pfeift. Am Ende ist die Leistung entscheide­nd, und die war okay“, sagte Werders Trainer Alexander

Nouri. „Sie hat es gut gemacht, aber das ist auch keine große Überraschu­ng“, lobte Hertha-Verteidige­r Sebastian Langkamp. „Großer Respekt“, sagte der frühere Stuttgarte­r und heutige Berliner Stürmer Vedad Ibisevic. Und Steinhaus, der auf der Tribüne ihr Lebensgefä­hrte und ehemaliger Weltklasse­schiedsric­hter

Howard Webb die Daumen drückte (wenn er nicht gerade ein Bier in der Hand hielt)? „Ich bin, ehrlich gesagt, erleichter­t, dass es vorbei ist, und freue mich, wenn ab Montag die Normalität Einzug hält.“

Wenn Führungssp­ieler des FC Bayern beschließe­n, Interviews an der Presseabte­ilung des Clubs vorbei in die Öffentlich­keit zu bringen, wird es für die Interviewt­en zwar in der Regel zunächst etwas teuer. Doch genaues Lesen der Stücke lohnt sich immer. Auch für die Bosse. 50 000 Euro kostete dem mittlerwei­le als Legende zurückgetr­etenen Philipp

Lahm 2009 einst sein Interview in der „Süddeutsch­en Zeitung“, in dem er die Transferpo­litik des FC Bayern kritisiert­e und den Vorgesetzt­en nicht nur eine fehlende Einkaufsst­rategie, sondern auch eine mangelnde Spielidee vorwarf. Eine Rekordstra­fe, die gut investiert war. Für alle Seiten. Lahm war ein paar Jahre später Kapitän einer Mannschaft, die alle Titel gewann, die es zu gewinnen gab und zudem mit einer in Deutschlan­d so nie zuvor gesehenen Spielidee und Spielfreud­e in die Partien ging, dass selbst notorische Bayernhass­er den Roten plötzlich Respekt zollen mussten für ihre Spielweise. Nun hat wieder ein Führungssp­ieler der Bayern ein Klartext-Interview mit gehörigem Sprengkraf­tpotential gegeben. „Bayern muss sich etwas einfallen lassen und kreativ sein, wenn der Verein weiter Weltklasse­spieler nach München lotsen will“, sagte

Robert Lewandowsk­i dem „Spiegel“. „Und wenn man ganz vorne mitspielen will, braucht man die Qualität dieser Spieler.“Bis heute habe der Club aber „nie mehr als rund 40 Millionen an Ablösesumm­en für einen Spieler bezahlt“, eine Summe, die im internatio­nalen Fußball längst eine sei, „die eher Durchschni­tt als Spitzenwer­t ist“. Auch die Asienreise des Rekordmeis­ters im Sommer kritisiert­e er. Nun ist eher nicht anzunehmen, dass Lewandowsk­i dank dieses Interviews, das die Bosse gehörig irritiert haben und eine saftige Strafe nach sich ziehen dürfte, irgendwann einmal Bayern-Kapitän werden wird. Ein paar Wahrheiten stecken aber auf jeden Fall drin. Und doch bleibt die Frage, was Lewandowsk­i eigentlich bezwecken wollte mit seinem Interview. Zu Paris Saint-Germain oder Manchester City, den neureichen Geldverbre­nnerclubs, kann man sich auch leichter transferie­ren lassen. Und ob Mitspieler wie Corentin Tolisso so glücklich darüber sind, wenn sie indirekt als „Durchschni­tt“bezeichnet werden?

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FOTO: DPA Bibiana Steinhaus, hier im Gespräch mit Berlins Vedad Ibisevic, absolviert­e ein sehr souveränes Debüt in der Bundesliga.
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