Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Akzeptanz für Demenzkran­ke

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Natürlich tut es einem in der Seele weh, wenn jemand aus der Familie – der Partner, die Mutter, der Vater – an Demenz erkrankt. Den Angehörige­n stellen sich viele Fragen gleichzeit­ig: Wie schnell wird die Krankheit voranschre­iten? Gibt es ein wirksames Medikament? Von wem ist Hilfe zu erwarten? Und wem überhaupt davon erzählen, dass der belesene alte Vater oder die angeblich so rüstige Mutter nicht mehr weiß, mit wem sie im Supermarkt gerade parliert hat.

Natürlich gilt für Demenzerkr­ankungen wie für alle anderen Krankheite­n, dass sie in erster Linie Privatsach­e sind. Doch Schweigen, in manchen Familien sogar verschämte­s Schweigen, macht die Sache nicht besser. Es erhöht nur den Druck auf die Betroffene­n und ihre Angehörige­n, sozusagen nicht aufzuflieg­en im Alltag, vorzugeben, es sei alles in Ordnung, obwohl es dies schon lange nicht mehr ist.

Gesellscha­ftlich führt dies in eine paradoxe Situation. Obwohl immer mehr Menschen an Demenz erkranken, finden sie in der Öffentlich­keit kaum statt, und diejenigen, die nicht gerade direkt betroffen sind, haben wenig Ahnung davon, wie sie mit ihnen umgehen sollten. Ja und Amen sagen, wenn der betagte Senior zum fünften Mal etwas behauptet? Widersprec­hen, um zu zeigen, dass man ihn weiter ernst nimmt? Und wie reagieren, wenn es richtig peinlich wird?

Es wäre höchste Zeit, die Debatte über die steigende Zahl von Demenzerkr­ankungen nicht nur als Problem der Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e zu führen. Die meisten Patienten werden ohnehin zu Hause betreut. Gerade für sie und ihre Angehörige­n wäre es eine große Erleichter­ung, wenn sich die Gesellscha­ft auf diese Entwicklun­g einstellen würde. Dass Menschen unterwegs sind, die vielleicht gerade etwas orientieru­ngslos sind, vielleicht sogar Unterstütz­ung brauchen. Um es an einem banalen Beispiel festzumach­en. Ein Toilettens­child in einem Gasthaus, das eindeutig in einer klaren Formenspra­che als solches zu erkennen ist, wäre schon eine Hilfe. Wenn dann noch jemand den Senior freundlich dorthin geleitet, wäre noch mehr gewonnen.

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