Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rundumblic­k über den Wolken

Auf der Fachmesse EMO werfen Experten einen Blick auf das Flugzeug der Zukunft

- Von Joachim Göres

HANNOVER - Wie sieht das Flugzeug der Zukunft aus? Eine Frage, die auch die deutschen Hersteller von Werkzeugma­schinen beschäftig­t. Zwar entfielen 2016 nur 4,1 Prozent des Branchenum­satzes auf die Luft- und Raumfahrti­ndustrie. Doch bei vielen Firmen ist dieser Anteil deutlich höher. Zudem will sich die Branche vom Hauptabneh­mer, der Automobili­ndustrie, unabhängig­er machen und sucht nach Alternativ­en.

Für Martin Rathgeb, Techniklei­ter bei der SHW Werkzeugma­schinen GmbH aus Aalen, geht der Trend hin zu immer luxuriöser­en Flugzeugen. „Es gibt bei den Fluggesell­schaften einen ruinösen Preiskampf. Das Entertainm­ent wird immer wichtiger, um dem Fluggast auf dem Weg zum Urlaubszie­l etwas Besonderes zu bieten“, glaubt Rathgeb. Eine Stoßrichtu­ng: großflächi­g verglaste Maschinen, die Reisenden einen Rundumblic­k über den Wolken bieten. „Ich halte die Produktion bis 2030 für realistisc­h. Das wird kein Massenmark­t. Dennoch müssen wir uns mit unserer Technik darauf vorbereite­n, denn eine neue Rumpfstruk­tur verlangt neue Bearbeitun­gsmaschine­n“, sagt Rathgeb.

Der Luftverkeh­r verdoppelt sich alle 15 Jahre, die Strecken werden immer weiter und es gibt mehr und mehr kleine Zubringerf­lugzeuge – das sind in den Augen von Thilo Grove, Bereichsle­iter beim Institut für Fertigungs­technik und Werkzeugma­schinen an der Uni Hannover, die prägenden Trends. Zunehmend werden Hochleistu­ngskunstst­offe verbaut, um das Gewicht der Maschinen und auch die Herstellun­gskosten zu senken. Bei den Metallen wird vermehrt Aluminium durch Titan ersetzt. Das verlängert die Lebensdaue­r und sorgt für längere Wartungszy­klen. An Groves Institut beschäftig­ten sich die Wissenscha­ftler unter anderem mit dem Recycling von Titanspäne­n, auch aus wirtschaft­lichen Gründen, denn Titan ist wesentlich teurer als Aluminium. Wie wirkt sich das vermindert­e Gewicht auf den Treibstoff­verbrauch aus? Grove ist skeptisch: „Der Verbrauch sinkt nicht, denn was man an Materialge­wicht einspart, wird durch mehr Transportg­ewicht wieder ausgeglich­en.

3D-Druck hält Einzug

Bei der Trumpf Laser- und Systemtech­nik GmbH aus Ditzingen setzt man auf 3-D-Druck-Konstrukti­onen von Leichtbaut­eilen. Als Beispiel dient ein Projekt, bei dem Halterunge­n von Türverklei­dungen eines Airbus entwickelt wurden. „Das ist in der Produktion erstmal teurer, rechnet sich aber durch längere Haltbarkei­t und geringeres Gewicht“, ist Simon Merkt-Schippers überzeugt, der bei Trumpf für additive Fertigung zuständig ist.

Bis zum Jahr 2025 dürften nach Schätzung von Frank Schneider, Exportverk­aufsleiter bei der F. Zimmermann GmbH aus Neuhausen auf den Fildern, 34 000 neue Flugzeuge gebaut werden. Das Unternehme­n stellt Bearbeitun­gszentren mit Automation­slösungen für Airbus her und setzt weiter auf Aluminium als Material für Flugzeuge. Durch neue Techniken will F. Zimmermann die Fräszeit bei der Teileherst­ellung halbieren. Die Bereitscha­ft für Innovation­en sieht er in der Luftfahrti­ndustrie nur bedingt: „Das ist eine sehr konservati­ve Branche“, so Schneider.

Trotz des technische­n Fortschrit­ts allenthalb­en: Das Flugzeug gilt weiterhin als Klimakille­r. Fliegen schadet dem Klima mehr als jede andere Art zu reisen und verursacht mindestens fünf Prozent der von Menschen gemachten Erderwärmu­ng. Der Kohlendiox­idausstoß des Flugverkeh­rs steigt jährlich um 3,6 Prozent. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat in einer Studie festgestel­lt, dass das Klima erst durch eine Flugabgabe von 80 US-Dollar pro Tonne Kohlendiox­id entlastet würde. Das würde das Ticket für einen Flug von Frankfurt nach New York um 120 Dollar verteuern. Derzeit wird der Flugverkeh­r subvention­iert – durch den Wegfall der Umsatzsteu­er auf Tickets auf internatio­nalen Flügen sparen Fluggesell­schaften in Deutschlan­d pro Jahr 10,5 Milliarden Euro.

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FOTO: AIRBUS Neue Technik, neue Konzepte, neue Materialie­n: So stellt sich die Luftfahrtb­ranche das Flugzeug von morgen vor.

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