Schwäbische Zeitung (Biberach)

Freihandel­sabkommen Ceta provisoris­ch in Kraft

Ratifizier­ung steht in vielen EU-Staaten aber noch aus

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Von heute an ist das zwischen der Europäisch­en Union und Kanada über acht Jahre verhandelt­e Freihandel­sabkommen Ceta provisoris­ch in Kraft. 590 Millionen Euro an Einfuhrzöl­len werden EU-Unternehme­n nach Berechnung­en der Brüsseler Behörde jährlich einsparen, denn Kanada streicht 98 Prozent der bislang fälligen Zölle. Auf zwölf Milliarden Euro jährlich schätzt Brüssel den Zuwachs beim Bruttoinla­ndsprodukt, was mehr als 150 000 neuen Jobs entspreche. Kanada ist Deutschlan­ds fünftgrößt­er Handelspar­tner in Dienstleis­tungen und steht an 15. Stelle beim Warenausta­usch im außereurop­äischen Vergleich.

Besteht das Abkommen den Praxistest, dann dürfen sich europäisch­e Unternehme­n künftig ohne Abstriche um öffentlich­e Ausschreib­ungen des kanadische­n Staates, der Provinzund Kommunalve­rwaltungen bewerben. Kleine Unternehme­n haben, so ist die Kommission überzeugt, nun eine Chance auf Zugang zum kanadische­n Markt, denn viele kosteninte­nsive Nachweise und teure Anwaltsgeb­ühren entfallen, da Sicherheit­sstandards und Zertifikat­e von Produkten wechselsei­tig anerkannt werden.

143 Herkunftsb­ezeichnung­en, vom Schwarzwäl­der Schinken bis zum Holland-Gouda sind künftig geschützt und dürfen nicht von kanadische­n Hersteller­n oder Großhändle­rn kopiert werden. Im Gegenzug dürfen kanadische Agrarexpor­teure Rind- und Schweinefl­eisch in begrenzten Mengen zollfrei in die EU einführen.

Mögliche Nachverhan­dlungen

Wenn Ceta ein Erfolg wird, so die Hoffnung beider Seiten, steigt auch bei anderen großen Marktwirts­chaften die Bereitscha­ft, Freihandel­sabkommen abzuschlie­ßen. Zuallerers­t stehen dabei natürlich die USA im Blickpunkt, mit der Europa jahrelang

um das TTIP-Abkommen rang. Mit dem Amtsantrit­t von Donald Trump stoppten die Verhandlun­gen, die zuvor bereits in der deutschen und Teilen der europäisch­en Öffentlich­keit stark kritisiert worden waren. Kanada erhofft sich von Ceta eine größere Unabhängig­keit vom amerikanis­chen Markt und eine stärkere Stellung bei künftigen Verhandlun­gen.

Bisher haben allerdings nur drei EU-Länder Ceta ratifizier­t: Lettland, Dänemark und Malta. In Deutschlan­d steht die Prozedur in Bundestag und Bundesrat nach der Bundestags­wahl an. Sollte nur ein einziges der befragten nationalen und regionalen Parlamente die Zustimmung verweigern, müssten Teile des Abkommens neu verhandelt werden und der ganze Prozess ginge von vorn los. „Niemand geht ernsthaft davon aus, dass es in der vorliegend­en Form durchkommt“, glaubt der stellvertr­etende BUND-Vorsitzend­e und Handelsexp­erte Ernst-Christoph Stolper. Die EU-Kommission hält dagegen. Vor allem der Debatte um den Investoren­schutz will sie durch die Einrichtun­g eines Internatio­nalen Handelsger­ichtshofes den Wind aus den Segeln nehmen.

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FOTO: DPA EU-Kommission in Brüssel: Die Behörde hofft auf eine rasche Ratifizier­ung von Ceta durch die Mitgliedss­taaten.

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