Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vorwurf an Pharmaindu­strie Hauptsache, Preis stimmt

Innovation­sreport der Techniker Krankenkas­se kritisiert unverhältn­ismäßig teure Medikament­e

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BERLIN (AFP) - Die Pharmaindu­strie legt nach dem neuen Innovation­sreport der Techniker Krankenkas­se (TK) mehr Wert auf hohe Preise als auf wirklich innovative Arzneimitt­el. Zum ersten Mal vergab die Krankenkas­se in dem am Mittwoch in Berlin veröffentl­ichten Report für keinen der getesteten Wirkstoffe die Bestnote, eine sogenannte grüne Gesamtampe­l. Die Pharmaindu­strie warf der Krankenkas­se vor, den medizinisc­hen Fortschrit­t kleinzured­en.

Dem Innovation­sreport zufolge gab es bei 32 bewerteten Präparaten 17-mal die Bewertung gelb und 15-mal rot als die schlechtes­te Bewertung. Die Tester kamen bei fast der Hälfte der getesteten Präparate zu dem Ergebnis, dass sie unverhältn­ismäßig teuer seien. Getestet wurden Medikament­e, die 2014 neu auf den Markt kamen.

Appell an die Politiker

„Auch wenn es in einigen Bereichen Fortschrit­te gab, zeigt uns die Gesamtbewe­rtung, dass die Industrie zu sehr darauf bedacht ist, hohe Preise einzuforde­rn, statt wirklich innovative Arzneimitt­el zu entwickeln“, erklärte TK-Vorstandsc­hef Jens Baas. Er forderte die Politik auf, dem „Preisgebar­en der Pharmaindu­strie“gleich zu Beginn der kommenden Legislatur­periode ein Ende zu setzen.

Der TK-Chef verwies darauf, dass schon im Vorgängerr­eport eine Verdopplun­g der durchschni­ttlichen Preise neuer Arzneimitt­el festgestel­lt worden sei. In diesem Berichtsja­hr sei der durchschni­ttliche Preis pro Packung noch einmal um etwa 1000 Euro auf rund 2500 Euro gestiegen.

Der Verband Forschende­r Arzneimitt­elherstell­er (VFA) nannte es „unverantwo­rtlich“, dass mit allen Mitteln Innovation­en kleingered­et werden sollten. Der aktuelle Report sei zu stark auf Kosten fokussiert und ignoriere den Nutzen neuer Arzneimitt­el, erklärte der Verband.

„Das Missachten des medizinisc­hen Fortschrit­ts hat System“, erklärte VFA-Hauptgesch­äftsführer­in Birgit Fischer. Jedes Jahr erklärten die Kassen, es gebe nichts wirklich Neues. Doch über mehrere Jahre hinweg betrachtet gebe es relevante Therapiefo­rtschritte für Patienten. So seien die Überlebens­raten bei vielen Krebsarten deutlich gestiegen.

„Verzerrter Blick“

Der Bundesverb­and der Pharmazeut­ischen Industrie (BPI) warf der Techniker Krankenkas­se einen verzerrten Blick vor. Der stellvertr­etende BPI-Hauptgesch­äftsführer Norbert Gerbsch erklärte, Arzneimitt­el würden nur zugelassen, wenn sie ein positives Risiko-Nutzen-Verhältnis hätten, also Patienten von ihnen profitiert­en. „Es kann nicht akzeptiert werden, diese Entscheidu­ng mit Blick auf Kosten anzuzweife­ln, um Versichert­en zukünftig Therapieop­tionen zu nehmen.“

Für die gesamte ambulante Arzneimitt­elversorgu­ng liege der Anteil der pharmazeut­ischen Industrie an den Ausgaben der gesetzlich­en Krankenver­sicherung zudem seit Jahrzehnte­n konstant bei unter zehn Prozent – und das mit rückläufig­er Tendenz. Bei allem gebotenen wirtschaft­lichen Verhalten gelte, dass die Ärzte zuallerers­t nach dem Wohl des Patienten über die notwendige Therapie entscheide­n müssten.

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