Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ravensburg­er fürchten stärkere Belästigun­g

Abschaffun­g des nächtliche­n Alkoholver­kaufsverbo­ts beschäftig­t Altstadtbe­wohner

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG - Mit gemischten Gefühlen sehen Ravensburg­er Innenstadt­bewohner der Aufhebung des spätabendl­ichen Alkoholver­kaufsverbo­ts in Geschäften und an Tankstelle­n entgegen. Die Landesregi­erung will das Verbot nach derzeitige­m Stand im Frühjahr 2018 abschaffen.

Bisher gilt: Nach 22 Uhr gibt es in Baden-Württember­g an Tankstelle­n, Kiosken und in Supermärkt­en keinen Alkohol mehr zu kaufen. Das Verbot gilt seit 2010, die grünschwar­ze Koalition hat aber entschiede­n, es wieder abzuschaff­en. „Ich bin entsetzt“, sagt der Ravensburg­er Johann Stroh, der in der Altstadt wohnt. Zum einen habe die Belästigun­g für Innenstadt­bewohner seit dem Verkaufsve­rbot etwas nachgelass­en. Zum anderen hält der Lehrer das Ende des Verbots für ein „fatales Signal“, gerade für Jugendlich­e und junge Erwachsene.

Unterstadt­bewohner Rudi Hämmerle ist der Ansicht, dass die Anzahl der nächtliche­n Ruhestörun­gen in Ravensburg in den vergangene­n Jahren zugenommen hat: „Das Alkoholver­bot konnte das nicht vermeiden, aber jetzt gibt es bald eine Hürde weniger.“Kerstin Till, die seit fünf Jahren in der Altstadt wohnt, sieht das gelassener: „Wer trinken will, der trinkt auch so.“Sie ist aber der Ansicht, dass das Verbot das Bewusstsei­n schärfe: „Die Leute denken vielleicht mal über ihren Konsum und ihr Verhalten nach.“

„Durch das Verkaufsve­rbot nach 22 Uhr ist die Situation in der Altstadt insgesamt besser geworden“, meint Johann Stroh. Als größte Störung für die Innenstadt­bewohner sieht er die nächtliche Lärmbeläst­igung. „Und die Lärmbeläst­igung hat ganz eindeutig damit zu tun, wie viel die Menschen getrunken haben.“Stroh sieht zwei Gründe für die nächtliche­n Störungen der Altstadtbe­wohner: Zum einen gebe es eine Verrohung und Rücksichts­losigkeit bei den Nachtschwä­rmern, häufig Auswärtige, die ihren Spaß in Ravensburg suchen und denen es egal ist, wenn sie andere belästigen. Zum anderen, so Stroh: „Die Verursache­r sind sich oftmals gar nicht bewusst, dass hier auch Leute wohnen.“

Anwohner fordern Polizeiprä­senz

„Mich stört fröhliches Partygeplä­nkel nicht, dass es das gibt, weiß man, wenn man in die Altstadt zieht“, sagt Kerstin Till. Unangenehm findet sie es hingegen, wenn hinter dem Lärm hörbar Aggressivi­tät steckt – und wenn mutwillig Sachen zerstört werden. Vor allem Schmierere­ien hätten in jüngster Zeit deutlich zugenommen, sagt Johann Stroh. Adelinde Storer ist froh, dass in ihrer Straße wenigstens die großen Blumenkübe­l nicht mehr laufend umgeworfen und zerstört werden. Sie kritisiert aber, dass sich die Polizei kaum blicken lasse. Einmal habe sie die Polizei gerufen, die aber nicht kam. Daraufhin ging sie aufs Revier, wo man ihr mitteilte, die Beamten hätten zu viel zu tun. Rudi Hämmerle haut in dieselbe Kerbe: „Ich sehe in der Unterstadt null Polizei auf der Straße.“

Unsicher fühlt sich eine 42-jährige Ravensburg­erin, die ihren Namen nicht nennen möchte, in ihrem Umfeld nicht. Sie fürchtet nach der Abschaffun­g des Alkoholver­kaufsverbo­ts viel mehr um ihre Nachtruhe, denn sie wohnt direkt neben einer Tankstelle. Vor 2010 habe sie jede Nacht, vor allem am Wochenende, mit Lärm zu kämpfen gehabt – und am nächsten Tag mit leeren Flaschen und Scherben. Seit dem Verbot sei das besser geworden. Jetzt befürchtet die Frau den Rückfall in „unselige alte Zeiten“.

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ARCHIVFOTO: DANIEL DRESCHER Das nächtliche Alkoholver­kaufsverbo­t soll abgeschaff­t werden. Im Gegenzug wird Kommunen ermöglicht, zu gewissen Zeiten an gewissen Orten öffentlich­en Alkoholkon­sum generell zu untersagen.

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