Schwäbische Zeitung (Biberach)
Im „per Du“riecht’s immer noch nach Gärsubstrat
Nach dem Vorfall in der Biogas-Anlage im Engstinger Gewerbegebiet Haid will die Versicherung nicht zahlen
TROCHTELFINGEN - Ein Gärsubstrat hat im Januar große Flächen und Gebäude im Gewerbegebiet Haid zwischen Trochtelfingen und Engstingen im Kreis Reutlingen verunreinigt. Die stinkende Brühe aus einem Gärbehälter der Biga Energie GmbH floss in Keller, Lagerräume, gelangte in die Kanalisation und auch in die Seckach. Bis heute sind noch nicht alle Schäden beseitigt, weil sich die Versicherung weigert, dafür aufzukommen. Das Unternehmen will nun Klage einreichen. Die Geschädigten befürchten einen jahrelangen Rechtsstreit.
Vor allem kann das Hotel Hydepark seine beliebte urige Kneipe „per Du“und den dazugehörigen Biergarten noch nicht wiedereröffnen. Das Gärsubstrat, das hauptsächlich aus Wasser und Speiseresten bestand, verunreinigte den Gaststättenboden, die Möbel und drang in die Wände ein. Zunächst konnten die Hilfskräfte die Räume lediglich mit Schutzkleidung und Atemschutz betreten. Bis heute riecht es hier übel, es gibt immer noch Partikel und möglicherweise auch verschiedene Keime.
„Die Sparkassen-Versicherung lässt uns alle in der Luft hängen“, schimpft Anja Wolfframm, die das Hotel gemeinsam mit ihrer Mutter betreibt. Vier Monate habe die Versicherung sich Zeit gelassen, bis sie überhaupt reagiert habe. Da sei kostbare Zeit verloren gegangen. Inzwischen sind weitere vier Monate vergangen, und das Hydepark kann zwar nach sechswöchiger kompletter Schließung Hotel und Restaurant wieder betreiben, muss aber auf die Einnahmen aus „per Du“und Biergarten verzichten. Auf mehrere Hundertausend Euro schätzt Anja Wolfframm den Schaden ihres Unternehmens.
Zunächst stellten alle das Biogasunternehmen Biga an den Pranger. Es soll die Anlage betrieben haben, obwohl sie nach einer Umrüstung noch nicht abgenommen worden sei. Das Landratsamt Reutlingen machte entsprechende Angaben, die dann in der Presse kursierten. „Dass grundsätzlich im Hintergrund auch die Frage der Genehmigung der Anlage steht, ist allgemein bekannt“, sagt auch Michael Kuhn, der Pressesprecher der Sparkassen-Versicherung Stuttgart, gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Die Versicherung stellt sich auf den Standpunkt, Biga habe „bewusst gegen behördliche Verbote verstoßen“. Deshalb weigert sie sich zu bezahlen.
„Diese Begründung weisen wir zurück“, sagt Kathrin Oschwald von der Biga entschieden. Die Anlage als solche verfüge seit Jahren über die erforderlichen Genehmigungen. Es sei zwar richtig, dass der havarierte neue Gärtank vom Landratsamt noch nicht für den Betrieb freigegeben war. Aber er sei nicht absichtlich befüllt worden. Die Frage, warum die Gärreste dann trotzdem in den Tank gelangt seien, könne man nicht sicher beantworten. Ein von der Firma beauftragter Gutachter soll 14 mögliche Ursachen festgestellt haben.
Versicherung weist auf Klageweg
Laut Biga-Anwalt Tim Jakobs sind in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit der Versicherung über technische Fragen geführt worden. Doch diese ließ sich nicht überzeugen und bleibt weiterhin bei ihrer Haltung. Dazu Jakobs: „Wir sind – gerade auch im Sinne der Geschädigten – enttäuscht von der Versicherung, dass diese nicht bereit ist, sich nochmals mit uns zur Sachverhaltsaufklärung zusammenzusetzen.“Man sei im Sinne aller Beteiligten der Ansicht, dass eine außergerichtliche Lösung gesucht werden sollte. Doch die Versicherung verweise auf den Klageweg. „Und diesen werden wir kurzfristig auch gehen“, betont der Rechtsanwalt.
Die Biogas-Anlage ist nach einer vorübergehenden Stilllegung wieder in Betrieb genommen worden. Der havarierte Behälter wird derzeit repariert und nachgerüstet, damit er zum Betrieb freigegeben werden kann, teilt die Biga weiter mit.
Für Anja Wolfframm gibt es nach langem Warten einen Hoffnungsschimmer. Die Biga hat einen Biochemiker und eine Sanierungsfirma beauftragt, in einem Pilotprojekt zunächst einmal zwei Räume der Gaststätte „per Du“zu sanieren. Vorgesehen ist, die Räume zu reinigen, zu desinfizieren und mit Ozon zu behandeln. „Sollte sich das Verfahren bewähren, wird es auch in anderen Räumen angewandt“, verspricht Biga-Vertreterin Kathrin Oschwald.