Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Geistesblitze des James Rodríguez
Rechtzeitig vor dem Spiel bei Paris St. Germain kommen die Münchner in Schwung
GELSENKIRCHEN (SID/dpa) - Nach seiner ersten Gala in Deutschland überließ James Rodríguez die großen Reden den anderen. „Wichtig war der Sieg der Mannschaft“, sagte der Kolumbianer, der beim lockeren 3:0 (2:0) der Bayern bei Schalke 04 eine erste Kostprobe seines Könnens gegeben hatte: „Aber ich bin auch mit meiner eigenen Leistung zufrieden.“Ein Tor, zwei Vorlagen, viele kluge Pässe – James hat gezündet.
Ausführlicher waren die Lobeshymnen der Kollegen. „Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht, war immer anspielbereit, wollte den Ball, war spielfreudig. Es macht Spaß, mit so jemandem zusammenzuspielen“, schwärmte Mittelfeldspieler Sebastian Rudy.
Fehlpässe am Anfang
Die Leihgabe von Real Madrid, Torschützenkönig der WM 2014, hatte bei seinem Startelfdebüt alle Register gezogen – nachdem er sich mit zwei Fehlpässen und einem unverständlichen Querpass im Strafraum eingeführt hatte. Doch dann drehte er richtig auf und hatte gleich reihenweise geniale Geistesblitze: erst holte er mit einer Flanke vor Naldos Hand den Handelfmeter heraus, den Robert Lewandowski zur Führung verwandelte (24.), dann erzielte er selbst das entscheidende 2:0 (29.) und schließlich setzte er mit einem genialen Lupfer den dritten Torschützen Arturo Vidal in Szene (75.).
Dazwischen glänzte er als intelligenter Ballverteiler, der sich nicht zu schade war, den Rückwärtsgang einzulegen und verlorene Bälle zurückzuerobern. „Er hat sehr gut gespielt, sehr mannschaftsdienlich mit guten Kombinationen“, lobte Trainer Carlo Ancelotti seinen Wunschspieler, den er schon zweimal verpflichten ließ: nach der WM 2014 für 80 Millionen Euro von Real Madrid und in diesem Sommer für zunächst gut zehn Millionen Euro Leihgebühr vom FC Bayern.
Eine Oberschenkelverletzung hatte das Debüt des 26-Jährigen verschoben. Nach zwölf Minuten bei der TSG Hoffenheim (0:2) und 85 in der Champions League gegen den RSC Anderlecht (3:0) deutete James auf Schalke an, warum Ancelotti einen Narren an ihm gefressen hat. Dabei erwartet der Italiener sogar eine Steigerung: „Physisch ist er noch nicht bei 100 Prozent.“
Auch Dank James’ Glanzleistung in Gelsenkirchen ist das Krisengerede beim Rekordmeister über den Stolperstart nach zwei Siegen in vier Tagen mit 7:0 Toren vorerst beendet.
Mit einem schelmischen Lächeln sagte Thomas Müller: „Aber wir sind auch eine Mannschaft, in der das Fußballspielen leichter ist.“Es spricht zumindest für die Qualität des Münchner Kaders, dass selbst eine Aufgabe wie die beim bisher punktgleichen FC Schalke trotz diverser Ausfälle – unter anderem Torwart Manuel Neuer, für den nach seinem dritten Mittelfußbruch in diesem Jahr die Vorrunde beendet ist – und geschonter Stars scheinbar mühelos bewältigt wird.
Weit weniger Spaß hatten die Schalker nach der höchsten Niederlage unter ihrem neuen Trainer Domenico Tedesco. „Total zum Kotzen“, fand Torhüter Ralf Fährmann etwa die Elfmeterentscheidung, bei der Abwehrchef Naldo der Ball nach James’ Flanke vom eigenen Fuß an die Hand gesprungen war. Videoassistent Bastian Dankert hatte Schiedsrichter Marco Fritz überstimmt. „Wir sind doch Menschen und haben Arme“, meinte Fährmann, „wir können doch nicht wie eine Robbe da reinrutschen.“
Die schwere Verletzung von Manuel Neuer hat auch Auswirkungen auf die deutsche U17-Nationalmannschaft. Bayerns Torwarttalent Christian Früchtl muss auf die JuniorenWM in Indien (6. bis 28. Oktober) verzichten, da er wegen Neuers Fußbruch als Stellvertreter Sven Ulreichs beim Rekordmeister gebraucht wird. „Er wird bei seinem Verein bleiben“, sagte DFB-Trainer Christian Wück. (SID)