Schwäbische Zeitung (Biberach)

Extreme Freude

Nach ihrem Wahlerfolg sagt die AfD Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit scharfer Rhetorik den Kampf an

- Von Rasmus Buchsteine­r und Andreas Herholz

BERLIN - „AfD, AfD, AfD“, rufen sie immer wieder. „Gauland, Gauland“, tönt es durch den Saal. Und schließlic­h stimmen sie die Nationalhy­mne an. Hochstimmu­ng bei der Wahlparty der rechten Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) um Punkt 18 Uhr, als bei der ersten Hochrechnu­ng klar wird, dass sie im Bundestag mit 13,5 Prozent drittstärk­ste Kraft wird. Der Jubel bei der AfD kennt keine Grenzen mehr.

Während sich die Anhänger in den Armen liegen, gibt Spitzenkan­didat Alexander Gauland den Ton vor. „Wir haben es geschafft. Wir sind im Deutschen Bundestag. Und wir werden dieses Land verändern“, ruft der 77-Jährige seinen Parteifreu­nden unter frenetisch­em Jubel zu, spricht von einem „großen Tag in unserer Parteienge­schichte“. Die neue Bundesregi­erung könne sich warm anziehen. „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen“, heizt er bei der AfD-Wahlparty ein. „Wir werden die Regierung vor uns hertreiben. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückhole­n“, gibt Gauland auch nach Schließung der Wahllokale weiter den Wahlkämpfe­r.

Jubel und Proteste

Hunderte von AfD-Anhängern feiern zwischen Diskokugel­n, Partytheke und Tanzfläche im „Traffic Club“in einem Hochhaus am Berliner Alexanderp­latz. Das Medieninte­resse ist groß. Auch internatio­nale Sender berichten live über den Einzug der Rechten in den Bundestag. Von BBC bis CNN – die Rede ist von einem „Sensations­signal“der Merkel-Gegner. „Trau Dich Deutschlan­d“, steht auf den blauen Plakaten im „Traffic Club“.

Während die AfD-Anhänger im Disco-Club in Berlin Mitte weiter feiern, gibt es draußen heftige Proteste. Die AfD-Party findet unter massivem Polizeisch­utz statt. Am Abend eskaliert die Lage, es fliegen erste Flaschen, die Sicherheit­skräfte riegeln den Veranstalt­ungsort ab. „AfD-Rassisten-Pack!“, skandieren Demonstran­ten.

Mit Wehrmachts­lob, scharfen Parolen gegen Flüchtling­e und Muslime und Brachial-Rhetorik gegen Angela Merkel und die Etablierte­n schafft es die AfD gut vier Jahre nach ihrer Gründung in den Bundestag – erstmals ist damit eine Partei rechts von der Union im Parlament, zieht frühere Nichtwähle­r zu sich und wildert im bürgerlich­en Lager.

Vor vier Jahren damals noch mit Parteigrün­der Bernd Lucke war die AfD noch an der Fünfprozen­thürde gescheiter­t. Die neue Fraktion ist eine schwer berechenba­re Truppe mit ultrarecht­en Nationalis­ten und Anhängern des radikalen Björn Höcke, früheren CDU-Mitglieder­n und gemäßigten Nobodys. Die Spitzenkan­didaten Gauland und Weidel sollen diese Fraktion führen, dürften den meisten Rückhalt für sich vereinen können. Die große Frage ist, was aus Parteichef­in Frauke Petry und ihren Ambitionen wird. Zwar zieht die 42Jährige über Platz eins der sächsische­n AfD-Landeslist­e in den Bundestag ein. Doch blieb unklar, welche Rolle die immer noch amtierende Parteichef­in in der Fraktion für sich beanspruch­t, die mit den beiden Spitzenkan­didaten auf Kriegsfuß steht und deren Wahlkampf-Stil scharf kritisiert hat. Am heutigen Montag will Petry, gemeinsam mit Gauland und Weidel, in Berlin vor der Bundespres­sekonferen­z Rede und Antwort stehen. Doch ist schon jetzt klar, dass sie sich ins Abseits manövriert hat.

U-Ausschuss für Merkel

Der Wahlerfolg ihrer Partei – für Petry ein Ansporn in den kommenden vier Jahren „den Regierungs­wechsel für 2021“vorzuberei­ten, meldet sich die AfD-Chefin am Sonntag zu Wort und träumt schon von höheren Zielen. Ihre Zukunft als Parteichef­in jedoch lässt Frauke Petry am Sonntag offen. „Das ist eine Frage, die stellt sich heute Abend auch nicht“, sagt sie. Welche Rolle sie in der künftigen Bundestags­fraktion spielen wird, „darüber reden wir ab morgen“, will sie sich nicht festlegen. AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel meldet

bereits Ansprüche für sich und Gauland auf die Fraktionsf­ührung an: „Jetzt müssen wir liefern – und jetzt werden wir liefern“, gibt sie sich kämpferisc­h. Ihre Partei wolle im Bundestag jetzt „erst mal Opposition­sarbeit machen“und „die Bundesregi­erung kontrollie­ren“, kündigt Weidel an. Zudem wolle die AfD nun einen „Untersuchu­ngsausschu­ss Angela Merkel initiieren“. Dies sei „das Erste, was wir tun werden“, sagt sie.

AfD-Vizevorsit­zende Beatrix von Storch eilt am Sonntag von Interview zu Interview. „Die MerkelDämm­erung hat eingesetzt. Darüber werden wir jetzt reden“, sagt sie in jede Kamera, die Republik werde nun wieder patriotisc­her. Vorstandsm­itglied Georg Pazderski lehnt sich zufrieden zurück: „Wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollten.“

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FOTO: DPA Die beiden AfD-Spitzenkan­didaten Alexander Gauland und Alice Weidel freuen sich über den Wahlsieg – die anderen Parteien sehen den Erfolg mit Sorge.

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