Schwäbische Zeitung (Biberach)
Nicht mehr als zwei, drei Halbchancen
Der 0:0-Abnutzungskampf gegen Augsburg legt Stuttgarts Stärken und Schwächen offen
STUTTGART – Eine der Stärken des 36 Jahre jungen Fußballtrainers Hannes Wolf ist seine Sensibilität, seine Menschlichkeit und Empathie im Umgang mit den Spielern. Wolf will keinen aus dem Kader bevorzugen, er will wie ein Vater sein, der Liebe und Strenge gerecht an seine Kinder verteilt, um Neid und Zwietracht zu vermeiden. Als Stuttgarts Trainer nach dem 0:0 gegen Augsburg um sein Urteil über die nicht ganz verkehrte Leistung von Holger Badstuber gebeten wurde, sagte er als Erstes: „Ich hebe ungern einzelne Spieler hervor, weil ich das diskriminierend für die anderen finde.“Schließlich ließ er sich doch noch ein Quantum Lob entlocken: „Er hat ein Topspiel gemacht, die Abwehr sehr gut organisiert“, Badstuber habe eben Persönlichkeit und Verständnis für das Spiel. Von Torjäger Simon Terodde dagegen „hätte ich mir diesmal gewünscht, dass er noch mehr Bälle festmacht und der Wandspieler ist, den wir da vorne brauchen – aber wehe, ihr schreibt jetzt: Der Trainer kritisiert den Terodde.“
Hinten hui, vorne pfui – ganz so einfach ist es tatsächlich nicht beim VfB Stuttgart von 2017/18. Dass der Aufsteiger auch im dritten Heimspiel zu null spielte und 2017 weiterhin ungeschlagen ist zuhause, sei „das Verdienst der ganzen Mannschaft, alle arbeiten vorbildlich nach hinten“, findet Manager Michael Reschke. Andererseits ist es wohl auch das Verdienst fast aller, dass sich die Mannschaft nach vorne noch schwer tut und sich angesichts von nur drei Toren in fünf Spielen so langsam zur Minimalistentruppe entwickelt. Gegen Augsburg, das sich anschickt, einer der unangenehmsten Gegner der Bundesliga zu werden, erspielte sich der VfB lediglich zwei, drei Halbchancen, mehr ließen die bissigen, lauffreudigen Fuggerstädter Augen zu und durch: Augsburgs Caiuby im Zweikampf mit Stuttgarts Timo Baumgartl (re.).
nicht zu. Die Gäste schienen wenig beeindruckt von den Stuttgartern, die anlässlich des 25. Geburtstags ihres Maskottchen Fritzle in einer Art Krokodil-Gedächtnistrikot aufliefen. Im Gegenteil: Keeper Ron-Robert Zieler verhinderte mit starken Paraden gegen Rani Khedira und Alfred Finnbogason eine Pleite.
Holger Badstuber war danach hinund hergerissen: „Ein Punkt ist zu wenig, wir haben die Möglichkeit verpasst, uns weiter von unten abzusetzen, aber zu Null ist auch okay“, sagte der 28-Jährige. „Wir müssen uns offensiv verbessern. Defensiv sind wir sehr gut, aber an Kreativität müssen wir noch zulegen und vorne eiskalt sein. Wir haben die Spieler dazu, es
muss eben nur noch vieles harmonischer und eingespielter werden.“
Tatsächlich sind die diversen Stuttgart Neuzugänge erst dabei, sich und die anderen zu finden: Benjamin Parvard und Santiago Ascacibar, von denen die Offensivbemühungen ausgingen, bildeten erstmals die Doppelsechs und suchten meist verzweifelt Anspielstationen. Chadrac Akolo fehlte dem VfB schmerzlich, auch ein Daniel Ginczek in Topform wird die Mannschaft weiterbringen. Wenigstens zwanzig Minuten konnte der 26Jährige nach drei Wochen Pause wieder spielen, einmal versprang ihm der Ball in aussichtsreicher Position.
Systembedingt seien die Offensivprobleme übrigens nicht, meint Wolf:
„Wir spielen nicht defensiver als in der Zweiten Liga, in keinster Weise, in Gladbach haben wir richtig offensives Pressing gespielt. Genauso sind wir hinten nicht stabiler geworden, weil wir so viel gegen den Ball trainiert hätten. Die Jungs machen es einfach gut“, findet der Trainer.
„Das Gute mitnehmen, am anderen arbeiten und in Frankfurt zeigen, dass wir auch auswärts punkten können“, will Wolf, der drei Tore und sieben Punkte zu wenig findet „für das, was wir bisher gespielt haben“. Zumal es Wundermannschaften aus der schwäbischen Nachbarschaft gibt, die das in einer Woche schaffen: der FC Augsburg nämlich, derauch in Stuttgart zeigte, wie gefestigt er ist.