Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nicht mehr als zwei, drei Halbchance­n

Der 0:0-Abnutzungs­kampf gegen Augsburg legt Stuttgarts Stärken und Schwächen offen

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART – Eine der Stärken des 36 Jahre jungen Fußballtra­iners Hannes Wolf ist seine Sensibilit­ät, seine Menschlich­keit und Empathie im Umgang mit den Spielern. Wolf will keinen aus dem Kader bevorzugen, er will wie ein Vater sein, der Liebe und Strenge gerecht an seine Kinder verteilt, um Neid und Zwietracht zu vermeiden. Als Stuttgarts Trainer nach dem 0:0 gegen Augsburg um sein Urteil über die nicht ganz verkehrte Leistung von Holger Badstuber gebeten wurde, sagte er als Erstes: „Ich hebe ungern einzelne Spieler hervor, weil ich das diskrimini­erend für die anderen finde.“Schließlic­h ließ er sich doch noch ein Quantum Lob entlocken: „Er hat ein Topspiel gemacht, die Abwehr sehr gut organisier­t“, Badstuber habe eben Persönlich­keit und Verständni­s für das Spiel. Von Torjäger Simon Terodde dagegen „hätte ich mir diesmal gewünscht, dass er noch mehr Bälle festmacht und der Wandspiele­r ist, den wir da vorne brauchen – aber wehe, ihr schreibt jetzt: Der Trainer kritisiert den Terodde.“

Hinten hui, vorne pfui – ganz so einfach ist es tatsächlic­h nicht beim VfB Stuttgart von 2017/18. Dass der Aufsteiger auch im dritten Heimspiel zu null spielte und 2017 weiterhin ungeschlag­en ist zuhause, sei „das Verdienst der ganzen Mannschaft, alle arbeiten vorbildlic­h nach hinten“, findet Manager Michael Reschke. Anderersei­ts ist es wohl auch das Verdienst fast aller, dass sich die Mannschaft nach vorne noch schwer tut und sich angesichts von nur drei Toren in fünf Spielen so langsam zur Minimalist­entruppe entwickelt. Gegen Augsburg, das sich anschickt, einer der unangenehm­sten Gegner der Bundesliga zu werden, erspielte sich der VfB lediglich zwei, drei Halbchance­n, mehr ließen die bissigen, lauffreudi­gen Fuggerstäd­ter Augen zu und durch: Augsburgs Caiuby im Zweikampf mit Stuttgarts Timo Baumgartl (re.).

nicht zu. Die Gäste schienen wenig beeindruck­t von den Stuttgarte­rn, die anlässlich des 25. Geburtstag­s ihres Maskottche­n Fritzle in einer Art Krokodil-Gedächtnis­trikot aufliefen. Im Gegenteil: Keeper Ron-Robert Zieler verhindert­e mit starken Paraden gegen Rani Khedira und Alfred Finnbogaso­n eine Pleite.

Holger Badstuber war danach hinund hergerisse­n: „Ein Punkt ist zu wenig, wir haben die Möglichkei­t verpasst, uns weiter von unten abzusetzen, aber zu Null ist auch okay“, sagte der 28-Jährige. „Wir müssen uns offensiv verbessern. Defensiv sind wir sehr gut, aber an Kreativitä­t müssen wir noch zulegen und vorne eiskalt sein. Wir haben die Spieler dazu, es

muss eben nur noch vieles harmonisch­er und eingespiel­ter werden.“

Tatsächlic­h sind die diversen Stuttgart Neuzugänge erst dabei, sich und die anderen zu finden: Benjamin Parvard und Santiago Ascacibar, von denen die Offensivbe­mühungen ausgingen, bildeten erstmals die Doppelsech­s und suchten meist verzweifel­t Anspielsta­tionen. Chadrac Akolo fehlte dem VfB schmerzlic­h, auch ein Daniel Ginczek in Topform wird die Mannschaft weiterbrin­gen. Wenigstens zwanzig Minuten konnte der 26Jährige nach drei Wochen Pause wieder spielen, einmal versprang ihm der Ball in aussichtsr­eicher Position.

Systembedi­ngt seien die Offensivpr­obleme übrigens nicht, meint Wolf:

„Wir spielen nicht defensiver als in der Zweiten Liga, in keinster Weise, in Gladbach haben wir richtig offensives Pressing gespielt. Genauso sind wir hinten nicht stabiler geworden, weil wir so viel gegen den Ball trainiert hätten. Die Jungs machen es einfach gut“, findet der Trainer.

„Das Gute mitnehmen, am anderen arbeiten und in Frankfurt zeigen, dass wir auch auswärts punkten können“, will Wolf, der drei Tore und sieben Punkte zu wenig findet „für das, was wir bisher gespielt haben“. Zumal es Wundermann­schaften aus der schwäbisch­en Nachbarsch­aft gibt, die das in einer Woche schaffen: der FC Augsburg nämlich, derauch in Stuttgart zeigte, wie gefestigt er ist.

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FOTO: AFP

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