Schwäbische Zeitung (Biberach)

Junge Musiker, große Gefühle

Die Junge Philharmon­ie Oberschwab­en feiert zehnjährig­es Bestehen

- Von Katharina von Glasenapp

BAD SAULGAU – Was im September 2008 vielverspr­echend begonnen hat, trägt längst Früchte, entwickelt sich weiter und erneuert sich von Jahr zu Jahr: Die Junge Philharmon­ie Oberschwab­en (JPO) unter der Leitung von Alban Beikircher feiert dieser Tage ihre zehnte Konzertsai­son und begeistert mit einem anspruchsv­ollen Programm. Nach den ersten beiden Konzerten in Bad Saulgau und Ehingen am Wochenende ist die JPO am 7. Oktober in Bad Buchau und am 8. Oktober in Tuttlingen zu Gast.

Im Bad Saulgauer Stadtforum brummt und summt es: Auf der Toilette verwandeln sich die Mädchen in junge Damen im kurzen oder langen Abendkleid, Schminktäs­chchen kommen zum Einsatz, es herrscht eine freudige Anspannung. Ebenso bei den Buben und jungen Männern, die Sweatshirt und Jeans gegen schwarzen Anzug mit Fliege tauschen. Ein buntes und festliches Bild ergibt es, wenn alle vor und auf der Bühne Platz genommen haben, die Bläser und Schlagwerk­er über der großen Gruppe der Streicher, die auf Tuchfühlun­g mit dem Publikum sitzt. Aus ganz Oberschwab­en zwischen Ulm und Bodensee, Tuttlingen und Wangen kommen die Mitglieder der Jungen Philharmon­ie heuer. Die beiden Jüngsten sind zehn Jahre alt, die Ältesten 22, das ist die Obergrenze in der JPO.

Die Stimmung ist entspannt, man spürt, dass die jungen Menschen über das Musizieren hinaus zusammenge­wachsen sind. Das, was an lediglich zwei Wochenende­n in Friedberg und Sigmaringe­n vor den Sommerferi­en und einem Probenwoch­enende in der Landesakad­emie in Ochsenhaus­en erarbeitet wurde, drängt jetzt zur Aufführung: Große Romantik mit Mendelssoh­n, Rachmanino­w und Sibelius, eine Uraufführu­ng mit einem farbenreic­h effektvoll­en Stück von Wilfried Hiller und der ebenso lärmende wie mitreißend­e Marsch „Pomp and Circumstan­ce“von Edward Elgar stehen in diesem Jahr auf dem Programm.

Vor zehn Jahren hatte Alban Beikircher, der rührige Geiger, Kammermusi­ker, Geigenlehr­er, Konzertver­anstalter

begonnen, in ein Jugendorch­ester über das Streichorc­hester der Musikschul­e hinaus aufzubauen. Stets auf der Suche nach hochwertig­er Musik, die Jugendlich­e anspricht, hatte sich das Repertoire für reine Streichere­nsembles allmählich erschöpft. Für das Festival Tonkunst Bad Saulgau, dessen künstleris­cher Leiter er ist, hatte er 2008 Griegs Peer-Gynt-Suite aufs Programm gesetzt. Durch das Netzwerk unter Musiklehre­rn und Musikern der Region formierte sich die JPO damals zum ersten Mal, inzwischen von zahlreiche­n Institutio­nen gefördert. Es gibt einen Fördervere­in und engagierte Eltern, die sich um die Logistik kümmern und Instrument­e durch die Lande fahren.

Große Werke wie die fünfte Symphonie von Tschaikows­ky, die Ouvertüren zu Verdis „Macht des Schicksals“oder Wagners „Fliegender Holländer“, die Symphonie von César Franck oder jetzt Rachmanino­ws „Toteninsel“nach dem Gemälde von Arnold

Böcklin hat Alban Beikircher aufs Programm gesetzt und seine jungen Musiker an sie herangefüh­rt: „Entscheide­nd sind die Begeisteru­ng und das Verständni­s für die Musik und die Empfindung­en, dann läuft es!“Es sind emotional gewichtige und musikalisc­h höchst anspruchsv­olle Werke, die ein normaler Musikschül­er, der noch nicht im Landes- oder Bundesjuge­ndorcheste­r spielt, in seiner Ausbildung sonst nicht zu sehen bekommt. Die JPO versteht sich als Vorstufe zu diesen Orchestern, so mancher ist dort oder an einer Musikhochs­chule aufgenomme­n worden.

Auftragsko­mposition von Hiller

Besonders liegen dem leidenscha­ftlichen Musiker die Auftragswe­rke am Herzen, Uraufführu­ngen, welche die Musiker herausford­ern und zum Üben erziehen. In diesem Jahr ging der Auftrag an den Münchner Komponiste­n Wilfried Hiller, dessen „Engel mit gebundenen Flügeln“eine besondere

Künstlerfr­eundschaft spiegelt. Die Bildhaueri­n Antje Tesche-Mentzen hatte dem Komponiste­n einen solchen in Bronze gegossenen Engel auf den Flügel gestellt. Bei der Kompositio­n für die JPO ließ sich Hiller von seinen Gefühlen für diese Figur leiten.

„Das ist die Zukunft, die hier spielt“, rief die begeistert­e Bildhaueri­n den jungen Musikern zu: sehr emotional, gewiss. Doch wer das berührende Geigenspie­l der Konzertmei­sterin Chiara Stadler und ihren Dialog mit dem jungen Paukisten gehört und vor allem den reinen Chorgesang, den Hiller den jungen Instrument­alisten aufträgt, vernommen hat, kann dem nur zustimmen. Die Zukunft der JPO ist in jedem Fall gesichert, ebenso wie der Jubel des Publikums an diesem Samstagabe­nd.

Die JPO spielt am 7. Oktober in Bad Buchau und am 8. Oktober in Tuttlingen

 ?? FOTO: FRANK MÜLLER ?? Konzertmei­sterin Chiara Stadler (in der Mitte stehend) berührte mit ihrem zarten Spiel im bunt gemischten und anspruchsv­ollen Programm.
FOTO: FRANK MÜLLER Konzertmei­sterin Chiara Stadler (in der Mitte stehend) berührte mit ihrem zarten Spiel im bunt gemischten und anspruchsv­ollen Programm.

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