Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ravensburger Stadtspitze träumt von Straßenbahn
Neues schienenloses Bähnle könnte aus China kommen – Bürger für Ravensburg beantragen Machbarkeitsstudie
RAVENSBURG - Offenbar gibt es ernsthafte Überlegungen, zur Reinhaltung der Luft im Mittleren Schussental wieder eine Art Straßenbahn einzuführen. Der Fraktionsvorsitzende der Bürger für Ravensburg (BfR) im Gemeinderat, Wilfried Krauss, stellte jetzt den Antrag auf eine Machbarkeitsstudie. Hintergrund ist die hohe Schadstoffbelastung in Ravensburg. Die Stadtspitze scheint dem nicht völlig abgeneigt zu sein. Oberbürgermeister Daniel Rapp und Baubürgermeister Dirk Bastin waren vergangene Woche bereits in Kempten, wo schon neue Straßenbahnlinien gebaut werden.
Historisches Vorbild
Zwischen 1888 und 1959 verkehrte das „Bähnle“zwischen Ravensburg und dem Weingartener Güterbahnhof. Ab 1912 führte die Strecke sogar weiter bis nach Baienfurt. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass jemals eine herkömmliche Straßenbahn mit Schienen und Oberlandleitung reaktiviert wird, weil die Investitionskosten im dreistelligen Millionenbereich lägen und sich diese niemals amortisieren würden, aber in China werden gerade alternative Straßenbahnen getestet, die einen Lithium-Titanat-Akku haben und mittels Induktion aufgeladen werden können.
Die chinesische E-Tram hat laut einem Bericht des Magazins „Stern“eine Reichweite von 25 Kilometern, bei einer Ladezeit von zehn Minuten. Sie kann bis zu 300 Menschen transportieren. In Zhuzhou entsteht gerade eine 6,5 Kilometer lange Teststrecke.
„Eine Straßenbahn kann mehr Passagiere transportieren als ein Bus“, nennt Bastin einen Vorteil zum herkömmlichen ÖPNV. „Theoretisch braucht sie auch keinen Fahrer mehr, denn sie kann autonom fahren.“Das sei im Hinblick darauf, wie schwer es heutzutage sei, Busfahrer zu finden, weil diese wenig verdienen und nicht gerade familienfreundliche Arbeitszeiten haben, ein weiterer Vorteil. „Wobei da natürlich noch viele Fragen offen bleiben, vor allem, was Sauberkeit und Sicherheit angeht.“Auf gut Deutsch: Wenn ein betrunkener Jugendlicher abends in der Straßenbahn randaliert, ist in einem autonomen Fahrzeug keiner da, der ihn rauswirft.
Alte B 30 hätte eine Spur weniger
Die Versuche in China seien aber schon sehr vielversprechend und für Städte zwischen 40 000 und 100 000 Einwohnern gedacht, die nicht (mehr) über ein herkömmliches Straßenbahnnetz verfügten. Zwar benötigen sie auch Platz, der werde aber nur durch zwei weiße Linien auf die Fahrbahn aufgepinselt. Und das könnte ein weiteres Problem sein. Aus Sicherheitsgründen sei es schon sinnvoll, Auto- und Bahnverkehr räumlich zu trennen. Heißt: Die Sonderspur müsste im Ravensburg-Weingartener Beispiel auf die alte B 30, denn nur sie ist derzeit breit genug, um auf eine Spur verzichten zu können – allerdings zulasten des Individualverkehrs.
Überlegungen, die Straßenbahn im Mittleren Schussental wiederzubeleben, gab es bereits vor 20 Jahren, erinnert sich der BfR-Fraktionsvorsitzende Wilfried Krauss. „In den Schubladen der Verwaltung schlummert seit den 90er-Jahren eine Machbarkeitsstudie ,Wiederherstellung der Straßenbahn im Mittleren Schussental‘. Bezahlt hatte diese damals – nach meiner Erinnerung – der Gemeindeverband Mittleres Schussental. Die Realisierung wurde verworfen, weil durch die Deutsche Einheit damals andere Aufgaben für den Bund im Mittelpunkt standen.“Krauss beantragt, diese Machbarkeitsstudie zu aktualisieren. Er fordert die Stadtverwaltung auf, mit Weingarten, Baienfurt und Baindt Kontakt aufzunehmen, damit der Gemeindeverband Mittleres Schussental die neue Studie finanziert. „Natürlich ist solch ein Projekt ohne Zuschüsse (Bund, Land) nicht zu stemmen. Wir sind aber überzeugt, dass es solche geben wird.“