Schwäbische Zeitung (Biberach)
Verwaltungsgericht schafft das Papier ab
Seit dieser Woche gibt es die elektronische Akte – Sigmaringen ist Pilotgericht
SIGMARINGEN - Das papierlose Gericht wird Wirklichkeit: Als erstes der vier Verwaltungsgerichte in BadenWürttemberg hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen diese Woche die elektronische Akte eingeführt. Justizminister Guido Wolf (CDU) sprach bei einem Besuch am Freitag von einem „revolutionären Umbruch“in der Justiz. Die Sigmaringer Richter scheinen der Veränderung positiv gegenüberzustehen. Die Mitarbeiter, die diese Woche nicht gleich starten durften, seien auf ihre Kollegen sogar ein wenig neidisch gewesen, sagt Gerichtspräsident Malte Graßhof.
Für die Bürger, die mit Gerichten zu tun haben, ändert sich vor allem eines: Die Verfahren dürften in Zukunft deutlich schneller über die Bühne gehen. Der Justizminister rechnet, wenn sich die Abläufe eingespielt haben, mit einem erheblichen Zeitgewinn. Zur Erklärung: Künftig kann im Gericht weitergearbeitet werden, auch wenn ein Rechtsanwalt Akteneinsicht beantragt. In so einem Fall war es bislang so, dass der Richter erst wieder Zugriff auf die Akte hatte, wenn sie der Anwalt per Post zurückgeschickt hatte.
Die elektronische Akte ist so aufgebaut, dass sie die Richter wie Papier benutzen können und mit der Maus schlicht durchrollen können, es müssen also keine unterschiedlichen Dateien geöffnet werden. Verwaltungsleiterin Ingrid Linz sprach von einem „komfortablen Aufbau“. Der Richter kann in der Akte elektronisch markieren und Notizen einfügen, die entweder nur er oder alle Beteiligten lesen können. In Sekundenschnelle stellt die Datenbank eine Verknüpfung zu anderen Rechtsfällen her, wenn auf das entsprechende Aktenzeichen geklickt wird. Oder fremdsprachige Texte werden automatisch übersetzt. Auf die Frage des Justizministers, ob die Bibliothek bald geschlossen werden könnte, antwortete Gerichtspräsident Graßhof: Momentan noch nicht, aber da der Austausch der Richter untereinander weniger werde, müsse man ihn künftig stärker organisieren. Aktuell stellt das Gericht alle eingehenden Verfahren um, mit Ausnahme der Numerus-Claususund der Asylfälle. Die sollen im Frühjahr 2018 nachgezogen werden.
Scanner seltener im Einsatz
Schriftsätze, die in Papierform eingehen, werden eingescannt und so zur elektronischen Akte hinzugefügt. Doch die Gerichte rechnen damit, dass die Scanner in Zukunft immer seltener gebraucht werden. Die Rechtsanwälte fügen ihre Schriftsätze den Akten ab Januar ebenfalls elektronisch hinzu, und auch die Verwaltungen, die sich bislang in Papierform mit dem Gericht austauschen, stellen sich auf das digitale Zeitalter ein. Die Landratsämter in Sigmaringen und Biberach hätten bereits eine Schnittstelle für ein elektronisches Postfach eingerichtet, andere Landkreise seien auf dem Weg dazu, sagte Richter Armin Horn, EDV-Beauftragter des Gerichts.
Und was hat der Bürger – außer der Schnelligkeit – sonst noch von der Umstellung auf die elektronische Akte? Wenn er eine Gerichtsverhandlung verfolgt, gewinnt er künftig über einen riesigen Bildschirm einen genaueren Einblick, zum Beispiel, wenn Beweismittel in Augenschein genommen werden. Im Sitzungssaal des Verwaltungsgerichts befindet sich auf dem Richtertisch eine Kamera, die aussieht wie ein Tageslichtprojektor. Wenn der Richter bei einem Mordprozess zum Beispiel die Tatwaffe unter die Kamera hält, wird sie auf dem Bildschirm sichtbar. Sogar ein Videofilm, der sich auf einem Handy befindet, kann über die Kamera in den Saal übertragen werden.