Schwäbische Zeitung (Biberach)

Richtige Klage, falscher Kläger

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Es gäbe glaubwürdi­gere Kläger gegen die deutsche Pkw-Maut als ausgerechn­et die Regierung in Wien. Nirgendwo werden Autobahnnu­tzer so kräftig abgezockt wie in Österreich. Das betrifft ja nicht nur das ohnehin nicht gerade billige „Pickerl“, das in seiner Zehn-Tage-Variante zeitlich exakt so bemessen ist, dass deutsche Urlauber, die für einen zweiwöchig­en Urlaub nach Südtirol oder an die Adria reisen, doppelt zur Kasse gebeten werden. Obendrauf kommen noch einmal die Extragebüh­ren an Brennerpas­s, an Arlbergode­r Katschberg­tunnel.

Hinzu kommt: Der Zeitpunkt, zu dem die Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f angekündig­t wurde, ist sicherlich kein Zufall. Wenige Tage vor der Wahl den großen Nachbarn im Norden zu ärgern – das zielt auch auf den Applaus des heimischen Publikums ab. Allerdings wird das wohl kaum reichen, die österreich­ischen Sozialdemo­kraten, denen der Wiener Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d angehört, vor einem Desaster zu bewahren.

All das ändert aber nichts daran, dass die Klage inhaltlich völlig berechtigt ist. Denn die Entscheidu­ng der EU-Kommission, die geplante Pkw-Maut als europarech­tskonform einzustufe­n, war – vorsichtig formuliert – erstaunlic­h. Es ist das gute Recht jedes EU-Mitglieds, diese Entscheidu­ng gerichtlic­h überprüfen zu lassen.

Die Klage allein kann die völlig verkorkste Maut, bei der Aufwand und erwarteter Ertrag in keinem Verhältnis stehen, nicht stoppen. Das könnten aber womöglich die Jamaika-Unterhändl­er. Sowohl die FDP als auch die Grünen lehnen das Projekt ab. Alexander Dobrindt kann indes von Glück reden, dass er den Posten des Verkehrsmi­nisters gegen einen Spitzenjob in der Fraktion tauschen durfte. So muss er sich nicht mehr mit den Details des einstigen CSULieblin­gsvorhaben­s quälen, und sollte es letztlich doch noch scheitern, kann er die Schuld bei anderen suchen. Im Ministeriu­m, wo wegen des verbissene­n Stellungsk­ampfes um die Maut andere Dossiers liegen geblieben sind, wird sein Nachfolger Aufräumarb­eit leisten müssen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany