Schwäbische Zeitung (Biberach)

USA und Israel verlassen die Unesco

Die Beziehung zwischen der Unesco und den USA ist bereits seit dem ehemaligen US-Präsidente­n Ronald Reagan zerrüttet

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON/JERUSALEM (dpa) Aus Protest gegen die Haltung zu Palästina treten die USA und Israel aus der UN-Kulturorga­nisation Unesco aus. Der Schritt sei der Regierung nicht leichtgefa­llen, erklärte Heather Nauert, die Sprecherin des US-Außenminis­teriums, am Donnerstag­mittag. Washington störe sich an den „anti-israelisch­en Tendenzen“in der Unesco und Zahlungsrü­ckständen innerhalb der Organisati­on. Am Abend erklärte dann auch Israel seinen Rückzug.

WASHINGTON - Die USA werden zum 31. Dezember nächsten Jahres aus der Unesco austreten. Das Außenminis­terium in Washington begründete den Schritt am Donnerstag damit, dass die UN-Organisati­on für Bildung, Wissenscha­ft und Kultur sowohl grundlegen­de Reformen brauche als auch weiterhin antiisrael­ische Tendenzen erkennen lasse. Zudem spiegele der Schritt die Sorge über wachsende Defizite im Haushalt der Unesco, heißt es in einer Erklärung des State Department. Gleichwohl wolle man über 2018 hinaus als Beobachter engagiert bleiben.

Nur wenige Stunden später kündigte auch der israelisch­e Regierungs­chef Benjamin Netanjahu den Rückzug seines Landes aus der UNKulturor­ganisation an. Er habe das Außenminis­terium angewiesen, einen entspreche­nden Schritt parallel mit den USA vorzuberei­ten, erklärte der Ministerpr­äsident.

So plötzlich die Entscheidu­ng verkündet wurde: Wirklich überrascht hat sie keinen. Dass Donald Trumps „America First“eine tiefe Skepsis gegenüber den Vereinten Nationen einschließ­t, ist nichts Neues. Trumps UN-Botschafte­rin Nikki Haley hatte wiederholt scharfe Kritik an der Unesco geübt, die stets aufs Neue als Symbol für die vermeintli­chen Irrwege der UN Prügel bezieht.

Nach einem Bericht des Fachmagazi­ns „Foreign Policy“sollen die Würfel bereits im September gefallen sein. US-Außenminis­ter Rex Tillerson soll dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron signalisie­rt haben, dass man die Unesco demnächst verlasse. Macron hatte bei der UN-Generaldeb­atte in New York bei Trump und Tillerson um Rückendeck­ung für eine Politikeri­n gebeten, die die aktuelle Unesco-Direktorin Irina Bokowa im Amt beerben sollte. Tillerson, schreibt „Foreign Policy“, habe sich nicht darauf eingelasse­n. Im Übrigen habe er verhindern wollen, dass Amerikas Zahlungsrü­ckstände weiter anwachsen und daher die Reißleine gezogen. Momentan stehen die USA, die seit 2011 keine Beiträge mehr zahlen, bei der Unesco mit über 500 Millionen Dollar in der Kreide.

Für die von den USA beklagten antiisrael­ischen Tendenzen nennt Tillersons Stab zwei Beispiele. Zum einen sorgte der im Sommer gefasste Entschluss, die Altstadt von Hebron zu gefährdete­m palästinen­sischen Weltkultur­erbe zu erklären, ohne die heiligen Stätten der Juden in Hebron zu berücksich­tigen, für Verärgerun­g. Zum anderen zeichnet sich beim Rennen um die Nachfolge Bokowas ab, dass ein Kandidat aus Katar, Hamad bin Abdulaziz al-Kawari, gute Karten hat. Auf Katar aber ist Trump nicht gut zu sprechen. Wie Saudi-Arabien auch, wirft er dem kleinen Golfstaat Terrorunte­rstützung vor. Al-Kawaris aussichtsr­eiche Bewerbung gilt als Beleg dafür, dass sich an der angeblich antiisrael­ischen Schieflage der Unesco so bald nichts ändern wird.

Obama stoppte Zahlungen

Vor sechs Jahren lies das Kabinett von Trumps Vorgänger Barack Obama wegen des Streits um den Beitritt der palästinen­sischen Autonomieb­ehörde die Zahlungen an die Unesco einfrieren. Ein empfindlic­her Schlag für die Organisati­on. 22 Prozent ihres Budgets kamen aus den den USA.

Zwei Gesetze schreiben es der Administra­tion vor, einer UN-Behörde die Mittel zu streichen, sobald sie Palästinen­sern die Mitgliedsc­haft zugesteht. Bokowa, schon damals Unesco-Direktorin, war seinerzeit eigens nach Washington gereist, um auf eine Änderung der Paragrafen zu drängen – jedoch vergebens. An den Ausstieg aus der Unesco hat Obama jedoch zu keiner Zeit gedacht.

Anders Trump. Er wiederholt­e, was Ronald Reagan auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges vormachte. Bereits 1984 hatte Washington der Unesco den Rücken gekehrt: Wuchernde Korruption und ideologisc­he Nähe zur Sowjetunio­n galten damals als Gründe. Die Pariser UNFiliale, kritisiert­en Reagans Leute, diene nur als Bühne, auf der die Dritte Welt die USA und Israel an den Pranger stellen könne.

Interessan­terweise war es dann George W. Bush, der eine Kehrtwende blies. Im Jahr 2002, der Präsident warb um Koalitions­partner für seinen geplanten Feldzug im Irak, versuchte er mit dem eher symbolisch­en Akt des Wiedereint­ritts den Eindruck zu entkräften, er würde Alleingäng­e unternehme­n. Man werde sich, versprach Bush, in vollem Maße an der Mission der Unesco beteiligen, um Menschenre­chte, Toleranz und das Lernen zu fördern.

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FOTO: DPA Unesco-Chefin Irina Bokowa.

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