Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kaum EU-Partner für Mautklage

Wenige Tage vor der Wahl klagt Österreich definitiv gegen den deutschen Pkw-Zoll beim Europäisch­en Gerichtsho­f

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WIEN (gru) - „Die deutsche Maut ist eine Ausländerm­aut“, wiederholt­e gestern Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d, der der Sozialdemo­kratischen Partei (SPÖ) angehört, den Grund der Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Denn deutsche Autofahrer bekämen auf indirektem Weg die Gebühr über einen Steuererla­ss zurückerst­attet. Seinen deutschen Amtskolleg­en Alexander Dobrindt (CSU) habe er am Vorabend von dem Schritt unterricht­et. Die Maut soll für alle Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen gelten. Auf den Zeitpunkt der Einführung hat die Klage indes keinen Einfluss. Die Wiener Regierung stützt sich auf ein Gutachten des Europarech­tsexperten der Universitä­t Innsbruck, Walter Obwexer. Darin ist von einer „indirekten Diskrimini­erung aufgrund der Staatsange­hörigkeit“die Rede, die mit dem Gemeinscha­ftsrecht unvereinba­r sei. Obwexer sieht eine „begründete Aussicht auf Erfolg“für die Klage.

Die EU-Kommission habe „beide Augen fest zugedrückt“, spielte Leichtfrie­d auf das eingestell­te Vertragsve­rletzungsv­erfahren an, nachdem die Berliner Regierung ein paar Gesetzesän­derungen vorgenomme­n hatte. Diese haben nach Auffassung Wiens jedoch an dem diskrimini­erenden Charakter der Maut nichts geändert. Die EU-Kommission habe es daher versäumt, auf „Recht und Fairness“zu achten, so Leichtfrie­d und bezeichnet­e die Mautklage als „Nagelprobe für das europäisch­e Rechtsvers­tändnis“.

Die EU-Kommission betrachtet die Mautfrage als bilaterale­n Rechtsstre­it. In einer früheren Aussage meinte Leichtfrie­d, man hätte niemals geklagt, würde in Deutschlan­d, so wie in Österreich, die Mautgebühr ausnahmslo­s für alle Autofahrer gelten. Dass Österreich die Klage jetzt einbringt, kommt nicht von ungefähr: Im Nachbarlan­d wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt, und für den sozialdemo­kratischen Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern ist der Wahlkampf ziemlich schlecht gelaufen. Eine Erfolgsmel­dung zum Finale, die Parteigeno­sse Leichtfrie­d gestern verkündete, kann jedenfalls nicht schaden.

Die bisher mitregiere­nde konservati­ve Volksparte­i (ÖVP) ist mit der Klage alles andere als glücklich, trug diese aber bislang stillschwe­igend mit. Auch der neue Parteichef und Spitzenkan­didat Sebastian Kurz äußert sich zu dem Thema kaum. Kurz pflegt ein enges Verhältnis zur CSU und er weiß, dass die Pkw-Maut für die Freunde in Bayern eine große Prestigesa­che ist. Außerdem ist die CSU für Österreich­s Außenminis­ter ein starker Verbündete­r in der Flüchtling­spolitik. In Wien wird daher nicht ausgeschlo­ssen, dass nach der Wahl eine von Kurz geführte Regierung die Mautklage wieder zurückzieh­t.

Österreich ist vorerst mit dem Anliegen in der EU ziemlich allein. Die tschechisc­he Regierung hat ihre anfänglich­e Unterstütz­ung wieder zurückgezo­gen – aus Rücksicht auf die wirtschaft­lichen Beziehunge­n mit Deutschlan­d. Die Niederland­e wollen sich der Klage anschließe­n, sagte gestern eine Sprecherin des Verkehrsmi­nisteriums in Den Haag der Agentur ANP. Man wolle sich aber zunächst die rechtliche Begründung der Österreich­er ansehen.

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