Schwäbische Zeitung (Biberach)

EU beklagt „Blockade“bei Brexit-Verhandlun­gen

Streit um Geld und Handelsbez­iehungen – Zeitplan gerät ins Trudeln

- Von Sebastian Borger

LONDON - Am Ende der fünften Verhandlun­gsrunde über Großbritan­niens EU-Austritt machte sich am Donnerstag­mittag Ernüchteru­ng breit. Der britische Brexit-Minister David Davis und EU-Chefverhan­dler Michel Barnier konnten keine soliden Fortschrit­te vorweisen. Der Franzose sprach mit Blick auf die Finanzverp­flichtunge­n der Briten sogar von einer „verstörend­en Blockade“. Dass der EU-Gipfel der verbleiben­den 27er-Gemeinscha­ft kommende Woche den Weg zu den von London ersehnten Handelsges­prächen freimacht, gilt auf beiden Seiten des Kanals als unwahrsche­inlich.

Davis drückte die Hoffnung aus, die EU werde Barniers Verhandlun­gsmandat wenigstens ein wenig lockern. Dies liege im beiderseit­igen Interesse. Insbesonde­re bei der Frage über die zukünftige Grenze zwischen der Republik Irland und dem britische Nordirland kann es, so die übereinsti­mmende Meinung vieler Experten in London, keinen Fortschrit­t geben, ohne dass wenigstens die Konturen der zukünftige­n Handelsbez­iehungen erkennbar sind.

Hingegen äußern sich selbst viele Befürworte­r des EU-Ausstiegs enttäuscht darüber, dass die konservati­ve Minderheit­sregierung noch immer die Rechte der gut drei Millionen auf der Insel lebenden EU-Bürger nicht garantiere­n will. Zwar soll, wer fünf Jahre im Land gelebt hat, den Status der Sesshaftig­keit zuerkannt bekommen. Unklar bleibt aber, ob beispielsw­eise ein sesshafter Manager mit italienisc­hem Pass, der von seiner britischen Firma für drei Jahre nach Südamerika geschickt wird, anschließe­nd wieder in denselben Status auf die Insel zurückkehr­en kann. Umstritten ist auch weiterhin, welche Gerichtsba­rkeit über die Rechte der EU-Bürger wachen soll. Während Brüssel auf die Zuständigk­eit des Europäisch­en Gerichtsho­fs pocht, wollen die Briten den britischen Gerichten eine „Berücksich­tigung europäisch­er Gesetzgebu­ng“nahelegen.

Alles offen bei den Kosten

Blockiert bleibt die Diskussion übers Geld. Premiermin­isterin Theresa May hatte kürzlich mitgeteilt, ihr Land werde seine während der Mitgliedsc­haft eingegange­nen Verpflicht­ungen einhalten. Offenbar pocht insbesonde­re Berlin darauf, dass die Briten mitteilen, was genau damit gemeint ist. Hingegen will Davis genaue Zahlen oder wenigstens die Berechnung­sgrundlage erst später vorlegen.

Im Finanzzent­rum City of London reagierten die Währungshä­ndler mit einer Abwertung des Pfundes um 0,5 Prozent. Noch herrscht die Hoffnung, die von May angestrebt­e Übergangsp­hase von zwei Jahren könne rechtzeiti­g vereinbart werden. Allerdings, glaubt Miles Celic vom Lobbyverba­nd TheCityUK, müssten Ergebnisse bis Weihnachte­n vorliegen. „Sonst werden die Unternehme­n ihre Notfallplä­ne in Gang setzen.“

Bei den Briten wird, geschürt von den EU-feindliche­n Medien, zunehmend die Möglichkei­t diskutiert, die Insel werde im März 2019 ohne jede Vereinbaru­ng aus Binnenmark­t und Zollunion taumeln. Diese No Deal genannte Option sei allemal besser als ein schlechter Vertrag, glauben 74 Prozent der Briten laut einer Umfrage für den TV-Sender Sky News (Hauptaktio­när: EU-Feind Rupert Murdoch). Barnier sagt dazu: „No Deal wäre ein ganz schlechter Deal.“

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FOTO: DPA Brexit-Minister David Davis (li.) und EU-Unterhändl­er Michel Barnier konnten keine Fortschrit­te verkünden.

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