Schwäbische Zeitung (Biberach)
Stadt lässt Bedürftige nicht alleine
Gesprächsstoff „Arm im reichen Landkreis Biberach“: SZ beantwortet Fragen der Leser
BIBERACH - Die erste Folge „Arm im reichen Landkreis Biberach“des neuen SZ-Themenformats „Gesprächsstoff“ist auf große Resonanz gestoßen. Einige Leser schrieben an die Redaktion, weil sie weitere Anregungen zu diesem Thema hatten. Das neue Format in der „Schwäbischen Zeitung“befasst sich immer samstags mit einem Schwerpunktthema.
Manche Leser beschäftigte die Definition, dass Haushalte als arm gelten, deren Einkünfte weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen. Wie viel das konkret bedeutet, ist laut dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands von der Lebenssituation der Betroffenen abhängig. So liegt die Armutsschwelle bei Singles derzeit bei 942 Euro netto monatlich. Wer weniger im Monat zur Verfügung hat, gilt als arm.
Es geht nicht nur um das Gehalt
Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt diese Schwelle bei 1507 Euro, bei Familien mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1978 Euro. Dabei handle es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushalts, inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen, wie es in dem Bericht weiter heißt. Es geht dabei also nicht ausschließlich darum, wie viel jemand monatlich brutto verdient.
Eine weitere Frage, die sich stellte: Was kann eine Stadt wie beispielsweise Biberach überhaupt tun, um armen Menschen zu helfen? Laut Oberbürgermeister Norbert Zeidler lässt sich Biberach „nicht lumpen, etwas vom Kuchen abzutreten“. Jeder Mensch, der finanziell zu kämpfen habe, sei einer zu viel. Wichtig ist ihm bei dieser Diskussion, dass die Gesamtzusammenhänge nicht außer Acht gelassen werden. So gibt der Landkreis Biberach für die soziale Sicherung im Jahr rund 145,2 Millionen Euro aus, der Zuschussbedarf beträgt 81,8 Millionen Euro. „Überspitzt gesagt, fließt die komplette Gewerbesteuerumlage Biberachs in diesen Topf“, so Zeidler. Bei Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro erhält der Kreis 28 Millionen Euro über die Umlage.
Abgesehen davon nimmt die Stadt Biberach auch bei sogenannten „Freiwilligenleistungen“alljährlich einiges an Geld in die Hand. So können Alleinerziehende und Familien eine Ermäßigung in Höhe von 25 Prozent bei den Gebühren von Kleinkindund Kindergartenbetreuung beantragen, sofern sie über ein zu geringes Einkommen verfügen. Bei Alleinerziehenden liegt die Grenze bei 33 000 Euro brutto jährlich, bei Familien bei 38 000 Euro.
Darüber hinaus gibt es seit Mai 2016 den Stadtpass. Durch ihn erhalten Geringverdiener und Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, mehrere Vergünstigungen. „Damit wollen wir die soziale Teilhabe ermöglichen“, sagt Zeidler. Knapp über 1000 Menschen, davon rund 330 Kinder, nutzten diese Möglichkeit und es könnten, wenn es nach der Stadt geht, durchaus noch mehr sein: „Wir wären bereit, 100 000 Euro pro Jahr in den Stadtpass zu geben.“Derzeit würden zwischen 16 000 und 17 000 abgerufen.
Bezahlbarer Wohnraum im Blick
Dazu kommen 180 000 Euro für die mobile Jugendarbeit, 60 000 Euro für die gemeinwesenorientierte Jugendarbeit in den Stadtteilen Gaisental, Fünf Linden und Weißes Bild sowie 26 000 Euro für Einrichtungen wie beispielsweise die Sozialstation, die Diakonie, die Bahnhofsmission oder das Blaue Kreuz.
Auch am Thema kostengünstiger Wohnraum sei man dran, könne dies aber nicht von heute auf morgen lösen, so der Oberbürgermeister. „Biberach ist bei den Freiwilligenleistungen ein relativ gutes Beispiel“, sagt Zeidler und erinnert dabei auch an die Bürgerstiftung und BrunoFrey-Stiftung, die in Einzelfällen Bedürftigen helfen.
In der morgigen Samstagsausgabe widmet sich das Format „Gesprächsstoff“dem Internetausbau im ländlichen Raum. Erschienene Gesprächsstoff-Ausgaben finden Sie im Internet unter