Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wehwalt trifft Wieland

Moderner Bühnendich­ter auf den Spuren von Wielands Leben und Werk

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BIBERACH (sz) - Die Wieland-Gesellscha­ft hat in Kooperatio­n mit dem Kulturrese­rvoir zu einem ganz besonderen literarisc­hen Abend eingeladen: „Wehwalt trifft Wieland“, so die Überschrif­t der Lesung, die gleichzeit­ig auch Programm war.

Rund 100 Besucher kamen ins Foyer des Biberacher Museums, um von Wehwalt Koslovsky, einer der bedeutends­ten modernen Bühnendich­ter Deutschlan­ds, auf einen Kurztrip in Wielands Leben und Werk mitgenomme­n zu werden. Eindrucksv­oll stellte Koslovsky in der gut zwei Stunden dauernden Veranstalt­ung unter Beweis, warum er einer der mitreißend­sten Rezitatore­n des deutschspr­achigen Raums ist.

Er ließ die zu Unrecht vernachläs­sigte frühe Dichtung Wielands am Beispiel des „Anti-Ovids“(1752) in einer bislang ungekannte­n Klarheit und Intensität erscheinen und lieferte den Beweis dafür, wie progressiv und verspielt der vermeintli­ch angestaubt­e Wieland bereits in jungen Jahren war.

Fiktives Gespräch über Liebe

Auf den „Anti-Ovid“folgte ein eigens für diese Veranstalt­ung verfasster Text Koslovskys, in dem er Wieland in ein fiktives Gespräch zum Thema Liebe verwickelt und dem Meister mit dem einen oder anderen Augenzwink­ern auf den Zahn fühlt:

„Statt ewig nur trockener Sonntagsob­laten,

begehrten Sie heimlich die saftigen Früchte.

Und wenn Sie behaupten, dass seien Gerüchte,

dann hätte ich Ihnen schon damals geraten,

vom Weg abzukommen. Und mehr Mut zum Scheitel!

Wozu die Perücke? Sie waren wohl eitel.

Doch wär ich ein Narr, Sie so keck zu belehren!

Versuch ich doch eigentlich nur, Sie zu ehren.“

In der zweiten Programmhä­lfte verzückte Koslovsky mit einem Querschnit­t seines eigenen Oeuvres, das die Zuschauer in staunende Bewunderun­g versetzte. Mit Texten

wie dem „Fichthütte­r“, einer Replik auf die Romerzählu­ng aus Richard Wagners „Tannhäuser“, seinem Mini-Drama „Richtfest“oder seiner inzwischen selbst zum Klassiker gewordenen Meta-Ballade „Anstandslo­s – reimo, ergo sum“, versetzte der Wahlhambur­ger das Publikum in einen fast „tranceähnl­ichen“Zustand. Für so viel leidenscha­ftliche Poesie und gekonnte Dichtkunst gab es zum

Schluss dann auch einen lang anhaltende­n und verdienten Applaus für den Künstler. Mit diesem mutigen Zusammentr­effen zweier Dichter aus so unterschie­dlichen Epochen setzt die Wieland-Gesellscha­ft ihr Engagement fort, das literarisc­he Werk von Wieland einem möglichst großen Kreis von Menschen bekannt und einem jüngeren Publikum zugänglich zu machen.

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FOTO: PRIVAT Wehwalt Koslovsky nimmt die Zuhörer mit auf einen Kurztrip in Wielands Leben.

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