Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hetze im Netz: 3000 Euro Schmerzensgeld
Amtsgericht Riedlingen verurteilt Blogbetreiber – Bei Beleidigung hört Meinungsfreiheit auf
RIEDLINGEN/REGION - Das Netz ist kein rechtsfreier Raum – und Beleidigungen haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun: Diese Erfahrung hat auch ein Blogbetreiber machen müssen, den das Amtsgericht Riedlingen in einem sich über Monate hinziehenden Zivilprozess nun zu 3000 Euro Schmerzensgeld verurteilt hat. Anlass des Streits war ein ehrenrühriger Blogeintrag mit Beschimpfungen und falschen Behauptungen, der nun von der Internetseite gelöscht werden muss.
Als der Kläger, der für die Asylbewerberhilfe Ravensburg tätige Adi Brugger, auf den Internetblog stößt, stuft er ihn als fremdenfeindlich ein. Denn hier geht es heftig zur Sache. Da werden deutschlandweite Polizeimeldungen mit Straftaten von Flüchtlingen veröffentlicht und – häufig unter Verwendung von Vulgärsprache – kommentiert; da wird zur Selbstjustiz aufgerufen, ein Vergewaltigungsopfer als „dumm“verhöhnt und es ist von „renitenten Asylnegern“oder „notgeilen Asylanten“die Rede. Wer anderer Meinung als der Autor ist, wird als „Gutmensch“verächtlich gemacht – oder taucht gleich gar nicht in der Diskussion auf.
Brugger nimmt daraufhin Kontakt zu den Firmen auf, die mit ihrem Logo auf dem Blog vertreten sind. Damit beginnt eine Auseinandersetzung, über die auch die „Schwäbische Zeitung“im Sommer vergangenes Jahr berichtet hat und die eine gewisse Brisanz besitzt, weil der Blogbetreiber ein Gemeinderatsmandat innehat.
Seine Antwort lässt denn auch nicht lange auf sich warten: Die Blogeinträge richten sich nun gegen Brugger persönlich. So veröffentlicht der Blogger im September 2016 eine sogenannte „Antifa-Liste“mit mehr als 20 000 Namen und Adressen aus Deutschland und den Nachbarländern. Auch Bruggers Name ist darunter, seine Telefonnummer und die Adresse seiner Eltern. Einige Tage später, berichtet Brugger im Zivilprozess, seien nachts Eier gegen das Haus seiner Eltern geflogen.
Aus Briefwechsel zitiert
Größeren Raum in der Verhandlung, die bereits im März begann, nahm jedoch ein Blogeintrag vom August 2016 ein. In veröffentlichten Auszügen aus dem privaten Briefwechsel zwischen dem Flüchtlingshelfer und seinen Vermietern wird unter anderem Ruhestörung durch eine albanische Nachbarsfamilie thematisiert. Der Blogger titelt: „Asylbewerberhilfe Ravensburg – deren Chef Adi Brugger womöglich ein Rassist“. Als eine Art Quellenangabe erscheint der Hinweis im Blog: „Brief Brugger original der Assi“.
Beide Aussagen stuft Richter Wilfred Waizinger nun als Beleidigung ein. In der Urteilsbegründung, die der SZ in Kopie vorliegt, schreibt er über den Blogbetreiber: „Er greift mit seinen Worten direkt die Persönlichkeit des Klägers an und beleidigt diesen.“
Während der öffentlichen Zivilverhandlung kamen im August aber auch Bruggers frühere Vermieter als Zeugen zu Wort. Sie hatten nach einer rechtlichen Auseinandersetzung mit ihrem Mieter den Blogbetreiber kontaktiert und ihm private Schriftstücke überlassen, um sie abfotografieren zu können. „Und das mit Bruggers Einverständnis?“, fragte dessen Anwältin Sabrina Neusch die Zeugin. Deren Antwort: „Nein, das sind ja meine Briefe.“
Dass ein solches Verhalten eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt und in die Geheimsphäre eingreift, verdeutlichte Waizinger mit seinem Urteil. Auch die Veröffentlichung der Adressen und Telefonnummern im Netz sei deshalb nicht gestattet. Der Richter sah es zudem als erwiesen an, dass der Blogbetreiber in seiner Darstellung der Mietstreitigkeiten „offensichtlich bewusst die Gesamtsituation falsch dargestellt hat und mehrere falsche Tatsachen behauptete“. So wurde etwa in dem Blogeintrag behauptet, Brugger habe das „PisseStreu“seiner Schlangen im Backofen verbrannt. In der Verhandlung entgegnete Brugger, er habe lediglich das zuvor gereinigte Terrarienstreu im Ofen getrocknet. „Damit sind sämtliche vorgenannten Behauptungen und Beleidigungen geeignet, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit zu schädigen“, begründet Waizinger sein Urteil.
Immer noch im Netz
Der strittige Blogeintrag war bis zum Redaktionsschluss am Freitagabend indes noch immer zu lesen. Schließlich wird das Unterlassungsurteil laut Brugger erst im November rechtskräftig. Spätestens dann aber muss der Blogger, der sich während der Verhandlung auf seine Meinungsfreiheit berufen und seinen Blog als „Nachrichtenportal“tituliert hatte, die ehrenrührigen Einträge gelöscht haben. Falls nicht, erwartet ihn ein Ordnungsgeld bis zu 250 000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.