Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hoffmeiste­r-Kraut wirbt in den USA für Freihandel

Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n wirbt in Washington für freie Märkte

- Von Benjamin Wagener

WASHINGTON (ben) - Trotz zum Teil schwerwieg­ender Vorwürfe gegen Deutschlan­d sieht Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) auch unter Präsident Donald Trump Chancen für gute Handelsbez­iehungen mit den USA. „Meine Gesprächsp­artner haben mich offen empfangen“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Ministerin ist seit Sonntag mit einer Delegation in den USA unterwegs.

WASHINGTON - Ihre Rede war fast zu Ende. In der Residenz des Gesandten der deutschen Botschaft in Washington hatte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n über die Fabriken der deutschen Autobauer im Süden der USA geredet, über autonomes Fahren und über die Googles und Ubers als Wettbewerb­er der Autoindust­rie. „Wir sind hier, um über diese neue Mobilität zu sprechen“, sagte Nicole Hoffmeiste­rKraut, hielt einen Moment inne und fügte dann das eigentlich­e Thema ihrer Amerika-Reise an: „Und wir sind hier, um über den Freihandel zu sprechen.“

Denn seit US-Präsident Donald Trump die Vereinigte­n Staaten lenkt, steht die größte Volkswirts­chaft der Welt nicht mehr für eine freie und liberale Wirtschaft­sordnung. Offene Märkte? Nur wenn amerikanis­che Unternehme­n profitiere­n. Freihandel­sabkommen? Gehören gekündigt, alles schlechte Deals für die USA. Gleiche Regeln für alle? Das war einmal, künftig gilt das Recht des Stärkeren. So sieht die Trump‘sche Weltsicht aus. Eine Weltsicht, die sich bereits in seinem erfolgreic­hsten Wahlkampfs­logan angedeutet hat: „America first“.

Das Land, das Donald Trump auf diese Weise abschotten will, ist für Baden-Württember­g nicht irgendeine­s: Es ist für die Wirtschaft der wichtigste Handelspar­tner. Die Exporte aus Baden-Württember­g in die USA sind von rund 15 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf mehr als 23 Milliarden Euro gestiegen im Jahr 2016. Nicht zuletzt diese Zahlen haben Nicole Hoffmeiste­r-Kraut veranlasst, in die USA zu reisen und sich in Washington mit dem US-Handelsbea­uftragten Dan Mullaney zu treffen, mit dem republikan­ischen Senator Richard Shelby zu reden und bei den Abgeordnet­en Terri Sewell, Peter de Fazio und Robert Aderholt für Freihandel und die Interessen der badenwürtt­embergisch­en Wirtschaft zu werben.

Sachliche Diskussion

„Ich finde es wichtig, die Themen zu adressiere­n, wir müssen die Probleme darstellen und für unser Modell eintreten“, sagt Hoffmeiste­r-Kraut. Bei allen Gesprächen habe sie deutlich gemacht, wie gefährlich es sei, wenn Trump versuche, mit einseitige­n protektion­istischen Maßnahmen wie Strafzölle­n die US-Wirtschaft auf Kosten anderer Staaten zu stärken. Sachlich habe sie die Diskussion­en empfunden, offen und freundscha­ftlich. Vor allem sind die Treffen ganz anders gelaufen, als das bei einer Verwaltung zu erwarten gewesen ist, die an der Spitze einen Präsidente­n hat, der zumeist über Twitter frech, vorlaut, rüpelhaft Gott und die Welt beschimpft – und die Deutschen wegen ihres Handelsbil­anzübersch­usses schon mal als „bad, very bad“bezeichnet.

„Die Verantwort­lichen auf der Sachebene wissen, was auf dem Spiel steht. Sie sind bemüht, das Verhalten Trumps auszugleic­hen“, sagt Hoffmeiste­r-Kraut. So habe Mullaney der deutschen Delegation signalisie­rt, dass die USA die Verhandlun­gen über das transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP gerne wieder aufnehmen würden. Und er hat der Ministerin den Rat gegeben, die USA in Zeiten von Trump doch bitte nicht an den Worten, sondern an den Taten zu messen. Sprich: Nicht alles, was Donald Trump beim Feierabend­bier in die Welt hinaustwit­tere, werde eins zu eins von der Verwaltung umgesetzt.

Taube Ohren

Bei anderen Themen stieß Hoffmeiste­r-Kraut dagegen auf wenig Verständni­s. Der Handelsbil­anzübersch­uss Deutschlan­ds, die Tatsache, dass die Bundesrepu­blik viel mehr exportiert als importiert, während es bei den USA umgekehrt ist, ärgert auch viele Abgeordnet­e. „Das Thema ist nicht erwünscht, da kommt man nicht weiter“, erzählt die CDUPolitik­erin.

Mit gemischten Gefühlen verließ die Ministerin dann auch das Capitol, den Sitz der beiden Parlaments­kammern der amerikanis­chen Politik, wo sie Mullaney und die Abgeordnet­en getroffen hatte. „Noch gibt es keine Strafzölle, aber die Unsicherhe­it ist sehr groß, wie die konkrete Handelspol­itik der USA künftig aussehen wird“, erklärt Hoffmeiste­r-Kraut. „Die Befürchtun­g ist einfach da, dass es in den kommenden Jahren zu protektion­istischen Maßnahmen kommt.“

Angst um Amerikas Wirtschaft

Eine Befürchtun­g, die auch viele Unternehme­r in den USA teilen. „Politik und Wirtschaft haben große Angst, dass das Weiße Haus Dinge tut, die der amerikanis­chen Ökonomie schaden“, erläutert Karen Donfried, Präsidenti­n des German Marshall Funds, einer renommiert­en Denkfabrik in Washington. So sorgt sich im Moment die Auto Alliance (AA), der Verband der amerikanis­chen Automobili­ndustrie, weil Trump das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen Nafta bis Ende März kommenden Jahres neu verhandeln will – mit für die AA unannehmba­ren Bedingunge­n. Der Verband streitet in einer Kampagne dafür, das Abkommen in seiner jetzigen Form zu erhalten, weil die gesamte Automobili­ndustrie von dem Freihandel­svertrag profitiere. Trump sieht das anders, er macht Nafta für Jobverlust­e in den USA, das große Handelsbil­anzdefizit und die Verlagerun­g von Fabriken nach Mexiko verantwort­lich.

„Der Präsident stellt jahrzehnte­alte Partnersch­aften infrage, einfach weil er der Meinung ist, dass die USA mit diesen Partnern einen bad Deal, ein schlechtes Geschäft, gemacht haben“, sagt Donfried. Und mit Nafta stehen plötzlich alle Partnersch­aften der USA zur Dispositio­n, auch die Partnersch­aften mit Europa, mit der Bundesrepu­blik und mit BadenWürtt­emberg sind unsicherer denn je – trotz der einzelnen positiven Signale. „Und doch müssen wir sprechen, überzeugen und immer und immer wieder für unser Modell kämpfen“, sagt Hoffmeiste­r-Kraut.

Einen Kampf, den Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n völlig zurecht führt, diese Auffassung vertritt auf jeden Fall die Weltbank, die die Politiker am Ende ihres Washington-Aufenthalt­s am Dienstag noch besuchte. „Wirtschaft­swachstum und Armutsbekä­mpfung sind global ohne Freihandel nicht möglich“, sagte Jan Walliser, der für gerechtes Wachstum zuständige Vizepräsid­ent des Entwicklun­gsinstitut­es. „Die Beweislage ist eindeutig.“

Gemeinsame Interessen

Auch Terri Sewell unterstütz­t Hoffmeiste­r-Kraut in ihrer Freihandel­smission – aus anderen Gründen. Die 52-Jährige ist die erste schwarze Abgeordnet­e für den Bundesstaa­t Alabama. „Was gut ist für euer Geschäft, ist gut für Alabama, ist gut für unsere Arbeiter und ist gut für meinen Wahlkreis“, gab Sewell der Ministerin auf den Weg. Zu Sewells Wahlkreis gehört Tuscaloosa, der Ort, an dem Daimler 1995 sein wichtigste­s US-Werk gegründet hat. Der Autobauer will dort mehr als 800 Millionen Euro investiere­n und 600 Arbeitsplä­tze schaffen.

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FOTO: DPA Auf Dienstreis­e: Nicole Hoffmeiste­r-Kraut vor dem Kapitol.
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FOTO: SASCHA BAUMANN Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (links), Terri Sewell, Demokratin und Abgeordnet­e des US-Repräsenta­ntenhauses aus Alabama: „Was gut ist für euer Geschäft, ist gut für Alabama, ist gut für unsere Arbeiter und ist gut...
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FOTO: SASCHA BAUMANN Mitch Bainwol, Chef des Verbands der US-Automobili­ndustrie Auto Alliance: Kampagne für Nafta – gegen Trump.

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