Schwäbische Zeitung (Biberach)

Sondierer streiten ums Geld

Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s entzweit FDP und Grüne

-

BERLIN (AFP/sal) - FDP-Parteichef Christian Lindner hat die Grünen für ihre demonstrat­ive Distanzier­ung vom Jamaika-Papier zur Finanzpoli­tik kritisiert. „Wir sind überrascht von der Kommunikat­ionsstrate­gie der Grünen, die hinter verschloss­enen Türen sehr viel bewegliche­r sind als öffentlich“, sagte Lindner am Mittwoch dem „Spiegel“. Nach langen Beratungen über die Haushaltsu­nd Finanzpoli­tik hatten CDU, CSU, FDP und Grüne am Dienstagab­end ein Papier veröffentl­icht, in dem sie sich auch für einen ausgeglich­enen Haushalt und den Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s ausspreche­n.

Mit Bezug auf den Solidaritä­tszuschlag betonten die Grünen am Mittwoch, es sei noch keine „Verabredun­g in der Sache getroffen“worden. Die FDP hingegen insistiert­e. „Unser Ziel bleibt, den Soli vollständi­g abzuschaff­en“, sagte FDP-Finanzexpe­rte Michael Theurer der „Schwäbisch­en Zeitung“.

BERLIN - Am Mittwochmo­rgen kommt das Papier der Jamaika-Sondierung­sgespräche an die Öffentlich­keit. Es beinhaltet gute Nachrichte­n für die Steuerzahl­er: Die Gesprächsp­artner seien sich einig, heißt es da, untere und mittlere Einkommen und Familien mit Kindern zu entlasten, den Solidaritä­tszuschlag abzubauen, die energetisc­he Gebäudesan­ierung und den Mietwohnun­gsbau zu fördern. Doch schon im Morgenmaga­zin gießt der Grüne Jürgen Trittin Wasser in den Wein. „Ich bin sehr pessimisti­sch, was den kompletten Abbau des Soli angeht.“Den aber hat sich die FDP auf die Fahnen geschriebe­n und schon nächtens als Erfolg vermeldet.

Wenn es um Geld geht, hört gemeinhin die Freundscha­ft auf. Doch bei den Jamaika-Verhandlun­gen in Berlin sah es erst einmal nicht so aus. „Es war ein langer Abend, aber er hat sich gelohnt“, so CDU-Generalsek­retär Peter Tauber eine Viertel Stunde nach Mitternach­t. Die Sondierung­srunde zum Thema Finanzen und Europa war die erste Runde, bei der es konkreter wurde.

Einig sind sich alle Beteiligte­n auch noch am nächsten Morgen, dass der ausgeglich­ene Haushalt kommen soll und die Schuldenbr­emse eingehalte­n werden muss. Auf dieser Basis sollten die Spielräume festgestel­lt werden.

Ist zum Beispiel die von der CSU gewünschte Mütterrent­e drin? „Ich habe nichts dagegen“, sagt Jürgen Trittin, gibt aber dann zu bedenken, dass sie jede Dimension sprengen würde. Auch die Verteidigu­ngsausgabe­n stehen auf dem Prüfstand. Man müsse überlegen, ob man 14 Milliarden für Rüstung oder acht Milliarden für Entwicklun­gszusammen­arbeit ausgebe, so Trittin.

Grünes Misstrauen

Die grüne Basis beäugt unterdesse­n misstrauis­ch die Verhandeln­den. Dass Parteichef Cem Özdemir, besonders aber Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt in Ministeräm­ter streben, stößt einigen übel auf. Um so vorsichtig­er agieren die beiden.

Als nun noch in der Nacht FDPVize Wolfgang Kubicki verspricht, dass der Soli „in dieser Legislatur­periode komplett abgebaut“werde, rudern die Grünen zurück.

Katrin Göring-Eckardt stellt am späten Morgen klar: Man habe eine Interpreta­tion zur Kenntnis bekommen, die nicht dem entspreche, was verabredet worden sei. „Ich will klarstelle­n: Wir haben keine Verabredun­g in der Sache getroffen, sondern wir haben eine Verabredun­g über den Fahrplan getroffen, über diejenigen Themen, die wir im Finanzbere­ich auf die Agenda setzen werden.“

Ja, man habe sich darauf geeinigt, dass man eine solide Finanz- und Haushaltsp­olitik brauche, so Katrin Göring-Eckardt weiter. „Und wir haben uns auf Punkte geeinigt, die wir miteinande­r diskutiere­n wollen. Dazu gehört definitiv die Entlastung für Familien, besonders im unteren und mittleren Einkommens­bereich. Dazu gehört die Diskussion über ökologisch schädliche Subvention­en, die wir auch brauchen, um die Klimaschut­zziele einzuhalte­n. Und dazu gehört selbstvers­tändlich auch die Forderung der FDP nach dem Solizuschl­ag.“Doch alles sei am Schluss unter einem Finanzieru­ngsvorbeha­lt zu diskutiere­n.

Das entspricht so ziemlich genau der grünen Linie, dass nichts verhandelt ist, bevor nicht alles verhandelt ist. Die Grünen wollen schließlic­h schon das Sondierung­sergebnis auf einem Parteitag zur Abstimmung stellen. Die CDU will es allerdings auch auf ihrer Klausurtag­ung Mitte November auf dem Tisch haben. Am heutigen Donnerstag geht es mit den schwierige­n Themen Klima, Umwelt und Flüchtling­e weiter. Hier liegen insbesonde­re die Union und die Grünen auseinande­r. Während die Union ein klares Signal geben will, dass man die Zahl der Flüchtling­e begrenzt, bestehen die Grünen auf dem Familienna­chzug. Kompromiss­linien deuten sich allerdings an. Es könnte Kontingent­lösungen für Familienna­chzügler geben, heißt es. Allerdings nur unter der Prämisse, dass die Zahlen insgesamt nicht weiter wachsen. Klar ist aber jetzt schon, dass dieses Thema besonders CSU und Grüne entzweit.

Für CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer geht es darum, den Bürgern auch angesichts des Bundestags­wahlergebn­isses zu zeigen: „Ja, wir haben verstanden, es kann kein „Weiter so“an dieser Stelle geben.“

In der Klimapolit­ik wiederum wollen die Grünen punkten. Deshalb erwarten sie von Union und FDP ein klares Zeichen, dass Deutschlan­d seine Klimaziele erreichen will. Beim Kohleausst­ieg, den die Union ja auch will, ist auf jeden Fall eine Beschleuni­gung zu erwarten.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Jürgen Trittin (Grüne) ruderte am Morgen nach den Sondierung­sgespräche­n etwas zurück – vor allem was die Forderung von Bundeskanz­lerin Angela Merkels CDU, den Soli abzuschaff­en, angeht.
FOTO: IMAGO Jürgen Trittin (Grüne) ruderte am Morgen nach den Sondierung­sgespräche­n etwas zurück – vor allem was die Forderung von Bundeskanz­lerin Angela Merkels CDU, den Soli abzuschaff­en, angeht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany