Schwäbische Zeitung (Biberach)
Das Sparschwein ist nicht totzukriegen
Notizen zum Weltspartag und über die letzte Sparschweinmanufaktur in Baden-Württemberg
Eine Zeit lang hat es nicht besonders gut ausgesehen für das deutsche Sparschwein: Null Zinsen, null Sparmotivation. Nicht nur, dass das Sparen vollkommen aus der Mode zu sein schien, sondern das Schuldenmachen war im Anbetracht der Geldpolitik von EZB-Präsident Mario Draghi in Mode gekommen und schien fast dringend geboten. Denn wenn es außer dem lieblichen Geklimper von Münzen beim Hineinstecken keinen guten Grund mehr gibt, Hartgeld zurückzulegen, dann wird eben auch die Sparsau zur bedrohten Art und kommt auf die rote Liste, oder?
Mehr als nur Tierimitate
„Stimmt nicht“, sagt Ulrike RiegrafBlank aus Affalterbach, einem Örtchen, ungefähr 30 Kilometer nordöstlich von Stuttgart gelegen. Die Frau muss es wissen, denn sie ist die Chefin der letzten Sparschwein-Produktion in Baden-Württemberg. Sinnigerweise heißt die Firma „TresorVerlag“, was natürlich große Erwartungen an Modelle wie „Frederick“oder „Felix“und all die anderen Vertreter der Sparschweinparade stellt: Verführerisch glänzt die Oberfläche, der Kunststoff schimmert im gleißenden Neonlicht. Diese Sparschweine sind nicht nur ein paar aus Plastik geformte Tierimitate, sondern Hoffnungsträger eines künftigen Wohlstands, der auf der zentralen schwäbischen Grundtugend basiert, nämlich der Sparsamkeit. Demzufolge wären die putzigen Tierchen aus Affalterbach eine gute Alternative zu den Wappentieren von Baden-Württemberg, den Löwen und Hirschen.
Über mangelnden Absatz kann Ulrike Riegraf-Blank jedenfalls nicht klagen, allen geldmarktpolitischen Widrigkeiten zum Trotz: „Die Nachfrage nach Sparschweinen hat sich wegen der Zinspolitik überhaupt nicht verändert. Die meisten Banken im In- und Ausland setzten das Sparschwein als Werbemittel ein und geben es übers Jahr bei Kontoeröffnungen, Geburten oder zum Weltspartag aus.“Letzterer ist eigentlich am 31. Oktober. Aber weil der heuer auf einen Feiertag fällt, hat die Bankenbranche bereits die Tage davor zur Weltsparwoche erklärt.
Und wie zu erwarten, geht es vor dem Weltspartag in Affalterbach besonders hektisch zu. Die Chefin kommt kaum dazu, einen klaren Gedanken zu fassen, weil diese Zeit für den Tresor-Verlag ein bisschen das ist, was für den Einzelhandel der Advent bedeutet. „Bisher exportieren wir unsere Spardosen in 75 Länder dieser Erde“, sagt Ulrike Riegraf-Blank mit einem gewissen Stolz.
„Sparsau made in Germany“ist offenbar ein global geschätztes Qualitätsmerkmal, mit dem das Zurücklegen von Münzen zwar auch nicht mehr Gewinn abwirft, aber dennoch vertrauen viele Sparwillige ihr Geld lieber einem sympathischen Schwein an, als es an der Börse unter die Finanzhaie zu verfüttern.
Symbol für Wohlstand
Warum das Sparschwein in der Regel ein Schwein ist, und kein Hund, keine Katze oder ein anderes Tier, hat historische Gründe. In der bäuerlich geprägten Gesellschaft konnte sich glücklich schätzen, wer ein Schwein besaß. Von dieser Annahme ist es nicht mehr weit zum sprichwörtlichen Glücksschwein als Symbol für Wohlstand und Sicherheit. Und da ein echtes Schwein auch der regelmäßigen Fütterung bedarf, verband sich mit dem von Banken verschenkten Sparschwein der Auftrag an die Kinder, auch dieses stetig mit seiner Lieb- lingsspeise zu versorgen: Bargeld nämlich.
„Es gibt Länder, die ziehen zum Beispiel eine Rundspardose dem Sparschwein vor“, weiß Ulrike Riegraf-Blank. Der Farb- und Formgeschmack variiere von Land zu Land. „Die Holländer ziehen Pastellfarben vor. In Italien mag man eher kräftige Farben.“Seit 1962 existiert der Tresor-Verlag mit seiner Sparschweinproduktion, gegründet von Gerhard Riegraf.
Die Firma befindet sich bis heute in Familienhand. Neben den Spardosen gehören auch andere Werbemittel zum Geschäft des Mittelständlers.
Und wie erwacht ein solches Sparschwein zum Leben? Die Produktionsschritte erklärt Ulrike Riegraf-Blank anhand eines der beliebtesten Modelle, namentlich Nummer 38, „Felix“, das es in derzeit 29 verschiedenen Ausführungen gibt: Zunächst kreiert ein Designer von Hand die Form des Spardosenmodells.
Auf Grundlage dieses Modells entstehen Spritzgussformen, die dann auf Kunststoff-Spritzgießmaschinen Schweinehälften entstehen lassen. Diese werden dann zusammengesetzt und verschweißt. Dann werden die Augen aufgedruckt und von Hand Schlösser eingesetzt – fertig ist die geldhungrige Sparsau. „Pro Jahr entstehen auf diese Weise etwa 400 000 Sparschweine“, sagt Ulrike Riegraf-Blank – die anderen Spardosen-Formen nicht mitgerechnet.
Die Volkswirte gehen davon aus, dass nach den USA, die inzwischen wieder steigende Zinsen verzeichnen, auch die Europäische Zentralbank eine Zinswende einleiten wird. Ulrike Riegraf-Blank und ihre Sparschweinparade können mit jeder Form der Zinspolitik leben, versichert sie. Denn ganz egal, was die Mario Draghis dieser Welt auch anstellen werden: Solange die Menschen auch in Zukunft „Schwein gehabt“sagen, wenn sie Glück meinen, sind weder „Felix“noch „Frederick“vom Aussterben bedroht.
Warum es derzeit so schlecht um das Sparen steht, lesen Sie in dieser Ausgabe auf Seite 7. Wie viel die Deutschen sparen und wofür sie die Ersparnisse ausgeben, lesen Sie unter schwäbische.de/ spartag