Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Auf Anweisung von oben verfolgt“
Der RAVENSBURG Prozess gegen den Menschenrechtler
Peter Steudtner und seine Mitangeklagten werde politisch beeinflusst. Das sagt Amke Dietert (Foto: oh) von Amnesty International im Interview mit Sarah Schababerle.
Frau Dietert, seit heute stehen in der Türkei elf Menschen vor Gericht, weil sie sich für Menschenrechte eingesetzt haben. Wie beurteilen Sie die Vorwürfe gegen sie?
Der offizielle Vorwurf ist natürlich nicht, dass sie sich für die Menschenrechte eingesetzt haben. Es wird mit völlig absurden Konstruktionen und ohne jegliche Grundlage der Vorwurf erhoben, sie seien Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung oder hätten terroristische Vereinigungen unterstützt. Und das gleich mehrere, die auch noch ideologisch völlig verschieden ausgerichtet sind.
Was ist denn Ihrer Meinung nach der wahre Grund für die Anklage?
Ich denke, das Menschenrechtler und Menschenrechtsorganisationen unbequem sind und man sie ausschalten oder ihnen zumindest einen Dämpfer verpassen will. Die Begründung der Anklage ist vollkommen absurd.
Konkreter Anlass der Verhaftungen war eine Veranstaltung mehrerer Menschenrechtsorganisationen. Haben die Teilnehmer geahnt, welches Risiko sie damit eingehen?
Nein, überhaupt nicht. Es war ein internes Fortbildungsseminar und das ist überhaupt nichts Illegales. Der Fehler war, dass sie einen externen, professionellen Dolmetscher engagiert haben, der jetzt gegen sie aussagt. Auch das zeugt davon, dass sie von der Harmlosigkeit der Sache überzeugt waren.
Die Türkei fordert, dass man die rechtliche Beurteilung der Vorwürfe ihren Gerichten überlässt. Gibt es in der Türkei noch eine unabhängige Justiz?
Ich denke, davon kann nicht die Rede sein. Dafür braucht man sich nur die Anklageschrift anschauen. Der Staatsanwalt ist schließlich auch ein studierter Jurist und so eine Anklageschrift zu schreiben, in der nicht der Hauch einer Straftat belegt ist, zeigt eigentlich schon, dass das auf Anweisung von oben erfolgt ist. Und ich denke, auch der Prozessausgang wird von einer politischen Entscheidung abhängen.
Wer übernimmt die Verteidigung?
Die Verteidiger sind selbst gewählt. In der Türkei gibt es viele engagierte Anwälte, die oft auch selbst gefährdet sind. Die Frage ist nur, was sie ausrichten können, wenn es in einem Prozess nicht um rechtliche Argumente geht, sondern darum, unbequeme Menschen auszuschalten und einzuschüchtern.