Schwäbische Zeitung (Biberach)

Es steht nicht gut um das Sparen

Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n zu den Konsequenz­en der niedrigen Zinsen

- Von Gerhard Bläske

STUTTGART - „Sparen muss sich endlich wieder lohnen. Ein Ende der Nullzinspo­litik ist längst überfällig!“Der Appell von Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g, und Roman Glaser, Präsident des Baden-Württember­gischen Genossensc­haftsverba­nds, fand zwar den Beifall der großen Mehrheit der etwa 300 Gäste des Symposiums beider Verbände zu diesem Thema in Stuttgart. Dass dieser Wunsch Gehör bei Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), findet, bezweifelt­en die Teilnehmer der von Bernd Wittkowski, Autor der Börsen-Zeitung, geleiteten Diskussion­srunde.

Sorgen um die Folgen der anhaltende­n Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) standen im Mittelpunk­t der Veranstalt­ung anlässlich des Weltsparta­gs. Politiker und Wissenscha­ftler diskutiert­en über die Auswirkung­en auf Sparkultur, Alterssich­erungssyst­eme und das Bankensyst­em.

Baden-Württember­gs Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne), die selbst über eine Sammlung von Sparschwei­nen verfügt, stellte einen Vergleich des privaten Sparens mit einer nachhaltig­en Finanzpoli­tik her. „Es ist richtig, Sparen als Wert hochzuhalt­en. Sparen dient der Vorsorge, der Bildung von Reserven und der Altersvors­orge“, sagte sie.

Doch es steht nicht gut um das Sparen. Nullzinsen für private Sparer führen angesichts steigender Inflations­raten zu einem realen Minus bei den Spareinlag­en. Das hat Konsequenz­en. Glaser verwies auf eine aktuelle Umfrage des Bundesverb­andes der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken. Danach betreibt ein Viertel der Bürger keine Vorsorge mehr. „Die Nullzinsen untergrabe­n die nachhaltig­e Sparkultur derer, die nur risikoarm anlegen können oder wollen.“Schneider will der „unheimlich­en Abwärtsspi­rale nicht tatenlos zusehen.“Ein Rezept dagegen hat er jedoch ebenso wenig wie Sitzmann, die sich um die Zukunft der Alterssich­erungssyst­eme sorgt. Auch Burkhard Balz, CDU-Abgeordnet­er im europäisch­en Parlament und Koordinato­r der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON), ist überzeugt: „Da kommt massiv was auf uns zu.“Er hat wenig Hoffnung, dass sich bald was ändert. Auch nach dem Ende von Draghis Amtszeit Ende Oktober 2019 hätten „im EZB-Rat die Länder die Mehrheit, die Schwierigk­eiten haben.“

Professor Gustav Horn, Wissenscha­ftlicher Direktor des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, nahm Draghi in Schutz. „Mit der Ankündigun­g, alles zu tun, um den Euro zu retten, hat er Sie alle mitgerette­t“, rief er ins Publikum. „Die EZB handelt völlig im Rahmen ihres Auftrags, wenn sie die Zinsen niedrig hält und Staatsanle­ihen aufkauft“, fügte er hinzu. Man dürfe nicht nur eine deutsche Brille aufhaben: „In anderen Ländern ist die Wirtschaft noch nicht stark genug für eine Zinswende.“

Damit erntete das SPD-Mitglied heftigen Widerspruc­h. Professor Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtsc­haft an der Universitä­t Hohenheim, bezeichnet­e die Politik der EZB als „Marktmanip­ulation, für die andere ins Gefängnis kämen“. Er wirft der EZB eine „Überdehnun­g ihres Mandats“vor. FDP-Mitglied Burghof plagt die Angst, dass die schwäbisch­en Mittelstän­dler ihre Hausbank verlieren könnten, die ihnen bisher auch in Krisenzeit­en die Treue hielten. „Die Kosten einer solchen Entwicklun­g wären unglaublic­h hoch.“

Burkhard Balz, der der CDU angehört, demonstrie­rte, dass in einer „Jamaika“-Konstellat­ion in vielerlei Hinsicht Einigkeit bestehen kann. Er forderte, bei der Regulierun­g des Bankenwese­ns „nach Größe und Risikoklas­se zu unterschei­den. „Es waren nicht die Volksbanke­n und Raiffeisen­banken oder die Sparkassen, die uns das Schlamasse­l beschert haben.“

Ohne die von deutscher Seite geforderte „small and simple banking box“mit weniger strengen Regulierun­gsregeln für kleine Banken ohne risikoreic­hes Geschäft, ist nach Ansicht Burghofs das kleinteili­ge deutsche Bankensyst­em bedroht. „Wir dürfen die besonderen Stärken der deutschen Volkswirts­chaft nicht auf dem Altar einer sinnlosen Vereinheit­lichung opfern.“

Glaser und Schneider sprachen sich energisch gegen eine europäisch­e Einlagensi­cherung aus. „Damit werden die festen Schutzmaue­rn eingerisse­n, die unsere nationalen Bankenmärk­te vor Finanzmark­t-Turbulenze­n schützen. Verlierer sind die Bankkunden in Deutschlan­d“, glaubt Schneider.

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FOTO: DPA Sparbuch der Sparkasse: Laut einer Umfrage betreibt als Folge der niedrigen Zinsen ein Viertel der Deutschen keine Vorsorge mehr.

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