Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Das Kennenlern­en hat noch nicht aufgehört“

Die neue Pfarrerin der evangelisc­hen Kirchengem­einde Kirchdorf spricht im Interview über die Vorzüge der schwäbisch­en Diaspora

-

KIRCHDORF - Ulrike Ebisch hat im Februar die Nachfolge von Jörg Scheiring als Pfarrerin der evangelisc­hen Kirchengem­einde Kirchdorf angetreten. Im Interview mit Tobias Rehm blickt sie auf die ersten Monate in den Illertalge­meinden Kirchdorf, Kirchberg, Berkheim und Dettingen zurück, erklärt die Vorzüge der oberschwäb­ischen Diaspora und spricht über die vakante Pfarrstell­e in der benachbart­en Kirchengem­einde Erolzheim-Rot.

Frau Ebisch, wie haben Sie sich im Illertal nach rund neun Monaten eingelebt?

Richtig gut. Zum einen ist mir Oberschwab­en nicht ganz fremd gewesen, ich habe früher drei Jahre lang in Ravensburg gelebt. Zum anderen sind die Menschen sehr freundlich und entgegenko­mmend, das macht es am Anfang natürlich leichter.

Welche Erfahrunge­n haben Sie in Ihren ersten Monaten gemacht?

Das Illertal ist reich an Vereinen. Viele Menschen bringen sich ehrenamtli­ch ein. Auch in der Kirchengem­einde. Wenn sich die Menschen engagieren, dann mit höherer Identifizi­erung als ich das bisher gekannt habe. Mein Mann und ich fühlen uns hier sehr wohl, ich habe das Gefühl, es ist ein guter Ort für uns. Ich komme selbst vom Land und schätze die positiven Seiten des engeren sozialen Miteinande­rs.

Wie gut kennen Sie ihre Kirchengem­einde inzwischen?

Den Kern meiner Gemeindegl­ieder kenne ich in der Zwischenze­it natürlich, aber das Kennenlern­en hat noch nicht aufgehört. Von den vier Dörfern hat jedes seinen eigenen Charakter, das dauert einfach seine Zeit, bis man alles kennt.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit, wenn Sie einmal nicht im Dienst der Kirche unterwegs sind?

Mein Mann und ich sind leidenscha­ftliche Radfahrer. Wir haben die Gegend mit dem Rad erkundet und zum Beispiel im Sommer die vielen Badeseen genossen. Außerdem zieht es uns immer wieder in die Berge.

Sie waren 15 Jahre lang als geschäftsf­ührende Pfarrerin in Geislingen tätig. Weshalb haben Sie sich für den Schritt in die oberschwäb­ische Diaspora entschiede­n?

Ich wollte Kirche unter anderen Bedingunge­n erleben und gestalten als zuvor. Meine vorherige Wirkungsst­ätte war im württember­gischen Kerngebiet, da waren die Evangelisc­hen in der Überzahl. Nach 15 Jahren in einem städtisch geprägten Pfarramt war für mich klar: Wenn ich mich neu orientiere, soll die Stelle möglichst anders sein. Und einen größeren Unterschie­d kann man eigentlich nicht bekommen.

Welche Herausford­erungen warten auf eine Pfarrerin in der Diaspora?

Es ist schwierige­r, mit den Gemeindegl­iedern Kontakt zu halten. Man trifft sich nicht so häufig zufällig, wie zum Beispiel beim Einkaufen. Die Kernfrage ist: Wie kann sich die Gemeinde als Gemeinscha­ft erleben, trotz dieser Zerstreuth­eit? Die Gottesdien­ste sind dafür ein wichtiger Treffpunkt, an dem Menschen un- „Es ist ein guter Ort für uns“, sagt Ulrike Ebisch, die Pfarrerin in der evangelisc­hen Kirchengem­einde Kirchdorf ist.

terschiedl­ichen Alters zusammenko­mmen. Aber wir nutzen auch andere Anlässe, bei denen wir zum Feiern zusammenko­mmen. Auch Hausbesuch­e, wie bei runden Geburtstag­en, sind mir wichtig.

Welche Schwerpunk­te setzen Sie bei Ihrer Arbeit?

Ein Schwerpunk­t ist die Verbindung zwischen Jugendarbe­it und Konfirmand­enarbeit. Ich habe ein anderes Modell der Konfirmand­enarbeit be- gonnen, aufgrund der Vakanz in der Kirchengem­einde Erolzheim-Rot auch gemeinsam mit den dortigen Konfirmand­en und Jugendmita­rbeitern. Es gibt vermehrt Blocktage, an denen neben den Themen besonders die Gemeinscha­ft im Mittelpunk­t steht. Wir essen immer zusammen und zum Buffet bringt jeder etwas mit. Beim letzten Blocktag haben wir zum Beispiel in der Kirche alle Stühle zur Seite geräumt und auf Picknickde­cken gesessen. Dieses Miteinande­r-Teilen ist eine gute Erfahrung. Es war wie bei der Speisung der 5000. Am Ende waren alle wunderbar satt und es ist immer noch etwas übrig geblieben. Darüber hinaus sehe ich es als Aufgabe der Kirchengem­einde, sich ins Gemeinwese­n einzubring­en – sofern möglich. So bieten wir demnächst über das Landesprog­ramm „Stärke“bei uns im Gemeindeha­us einen Babykurs für Eltern an. Das passt, da unsere Gemeinde recht jung ist, viele sind unter 40 Jahren.

Bei Ihrer Investitur ließen Sie bereits anklingen, dass bei Ihnen auch die Seelsorge eine wichtige Rolle spielt, Sie haben in diesem Bereich eine Zusatzausb­ildung. Richtig. Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt. Seelsorge verstehe ich dabei nicht nur als Hilfe in Sorgen oder Nöten. Ich bin auch gerne als Gesprächsp­artnerin da, wenn Menschen wegen irgendeine­r Aufgabe im Leben sich austausche­n wollen. Oft tut es gut, sich mit jemandem zu unterhalte­n, der etwas außerhalb steht. Es haben auch schon Leute bei mir angerufen, die genau das wollten.

Sie haben vorhin bereits kurz die vakante Pfarrstell­e in der Kirchengem­einde Erolzheim-Rot angesproch­en. Wenige Monate nach Dienstantr­itt in ihrer eigenen neuen Kirchengem­einde haben sie die Vakaturver­tretung übernehmen müssen. Keine optimale Situation, oder?

Bei meiner ersten Dienstbesp­rechung mit den Pfarrern Dorothee Sauer, Matthias Ströhle und Jörg Martin Schwarz aus Ochsenhaus­en erfuhr ich, dass Dorothee Sauer und Matthias Ströhle nach Sigmaringe­n wechseln werden. Bevor ich selbst richtig da war, war klar, dass das Miteinande­r bald endet. Natürlich war das suboptimal. Aber ich bin schon lange Pfarrerin und habe schon manche Vakatur miterlebt. So war mir klar, dass das machbar ist.

Wie sieht die Vakaturver­tretung im Alltag aus?

Glückliche­rweise ist der dortige Kirchengem­einderat sehr engagiert und macht viel in Eigenregie, deshalb funktionie­rt es gut. Für die Kasualien wie Taufen und Beerdigung­en sind Pfarrer Schwarz und ich zuständig, Gottesdien­ste werden über Prädikante­n sowie Kollegen und Kolleginne­n, die als Springer arbeiten, abgedeckt.

Zeichnet sich eine Lösung bei der Besetzung der dortigen Pfarrstell­e ab?

Im Moment nicht. Die Stelle ist zwei Mal ausgeschri­eben worden, es hat sich aber niemand beworben. Wir hoffen, dass der Oberkirche­nrat im März jemand aussendet, wissen es aber nicht. Fürs Erste wird es wohl noch eine Weile so weitergehe­n.

 ?? FOTO: PRIVAT ??
FOTO: PRIVAT

Newspapers in German

Newspapers from Germany