Schwäbische Zeitung (Biberach)
Talkrunde mit hoher Eigendynamik
Schauspieler Mathieu Carrière bringt Leben in den Kapuzinertalk
BIBERACH - Es geht doch nichts über ein bisschen Spontaneität: Das hat sich am Samstagmittag wohl auch Schauspieler Mathieu Carrière gedacht, als er beim Kapuzinertalk der 39. Biberacher Filmfestspiele in der Lobby des Festivalhotels Kapuzinerhof mal schnell seine verdutzte Schauspielkollegin Elzemarieke de Vos in die Talkrunde integrierte, als diese gerade an der Rezeption einchecken wollte.
Biberacher Filmlaien interviewen Filmschaffende – das war auch dieses Mal das Motto beim Kapuzinertalk. Heike Scharfe, Sozialarbeiterin im Tagesmütterverein des Landkreises, hatte dabei die ihr Respekt einflößende Aufgabe, Mathieu Carrière zu befragen. Dass der 67-Jährige gerne mal den Unberechenbaren gibt, hatte er bereits am Abend zuvor im Kino bewiesen, als er die Publikumsdiskussion des Films „Vollmond“, in dem er mitspielt, kurzerhand umdrehte und das Publikum befragte.
Großes Lob für Regisseur
Auch beim Kapuzinertalk wolle er auf dem roten Sofa aus dem legendären Biberacher „Sternchen“-Kino weniger über sich selbst reden („Es gibt kaum eine Pfütze, in die ich nicht getreten bin“), sondern lieber über den allerdings nicht anwesenden Regisseur des Films, Andreas Arnstedt. Der habe bereits sechs oder sieben Filme gedreht, „ohne dafür einen Cent gehabt zu haben“. Auch der Film „Vollmond“habe reine Herstellungskosten von nur 10 000 Euro, „davon waren 5000 Euro fürs Catering“, sagte Carrière und bestellte sich dazwischen an der Hotelbar einen Kaffee. Arnstedt sei für ihn der Fassbinder des 21. Jahrhunderts, „nur kann er besser mit Schauspielern umgehen“.
Turbulent wurde es, als Carrière die „Vollmond“-Hauptdarstellerin Elzemarieke de Vos in der Hotellobby entdeckte, die in diesem Moment in
Biberach ankam. Spontan holte er die sichtlich verdutzte Kollegin mit aufs Talk-Sofa, damit auch sie sich noch zum Film äußere. „Ich wollte doch nur in mein Hotelzimmer“, meinte sie und nahm das Ganze aber mit viel Humor. Auch den vielen Zuschauern in der Hotellobby bereitete so viel Eigendynamik sichtlich Spaß.
Einblicke in das Innenleben
Den Auftakt des Kapuzinertalks hatten eine halbe Stunde zuvor die Biberacher Regisseurin Corinna Palm und der Berliner Film- und Fernsehschauspieler Godehard Giese gemacht. Im Gespräch ging es unter anderem um den Unterschied zwischen einem Kinound einem Fernsehfilm. „Kino hat sich aus der Fotografie entwickelt, das Fernsehen aus dem Radio“, sagte Giese. Im Fernsehen gehe es deshalb viel um Dialog, das Kino hingegen erzähle viel über Bilder. Darauf werde in Deutschland aber bisweilen nicht
so sehr geachtet. „Viele Kinofilme in Deutschland sind eher Fernsehfilme“, meinte Giese. Auch Einblicke in das Innenleben eines Schauspielers gab es in dem Gespräch. Er finde Absagen bei Castings inzwischen nicht mehr so schlimm wie früher, meinte Godehard Giese. „Seit ich auch selbst Regie führe, weiß ich, dass das nicht immer etwas mit der Qualität eines Schauspielers zu tun hat, sondern dass jemand anderes aus Sicht des Regisseurs einfach besser gepasst hat. Da geht es manchmal um ganz banale Dinge.“
Über ihre Erfahrungen als Darstellerin in der Daily-Soap „Verbotene Liebe“sprach Schauspielerin Kim Riedle mit Manfred Buck, dem Vorsitzenden des Dramatischen Vereins. „Man absolviert da jeden Tag eine enormes Drehpensum.“Sie habe dadurch eine große Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Kamera gewonnen, sagte Kim Riedle. Im Film
„Back for good“war sie in Biberach in ihrer ersten Kino-Hauptrolle zu sehen. Sie räumte allerdings auch ein, dass sie Lust hätte wieder klassisches Theater zu spielen: „Shakespeare-Stücke im Original, das wäre mein Traum.“
Herzliche Reaktionen auf Film
Die Publikumsreaktionen auf ihren Film seien in Biberach sehr herzlich gewesen. Überhaupt sparte sie nicht mit Lob: „Ich war hier heute auf dem Wochenmarkt. Der ist wunderschön, und es gibt so schönes frisches Gemüse in kräftigen Farben. Das kenne ich so aus Berlin nicht.“Zurück in ihre bayerische Heimat wolle sie allerdings nicht. „Ich hätte gerne mehr Natur, aber lieber am Meer.“
Durchs Programm des Kapuzinertalks führte Filmfest-Pressesprecherin Daniela Hildebrandt, für den musikalischen Rahmen sorgte die Band Al Jovo.