Schwäbische Zeitung (Biberach)
Fotos von der „Geburt“des Steiger-Autos
Michael Schick veröffentlicht Bildband mit Fotos aus dem Nachlass des Ingenieurs Fritz Koch
LAUPHEIM - Unverhofft kommt oft, Michael Schick erlebt das immer wieder. Seit mehr als zwei Jahrzehnten sammelt der Kriminaltechniker aus Laupheim alles zum Thema Steiger, jener Autoschmiede, die von 1918 bis 1925 in Burgrieden mit bis zu 500 Mitarbeitern Kraftfahrzeuge baute, gerühmt als „schwäbische Bugattis“. Schick ist ein hartnäckiger, bestens vernetzter Rechercheur. Der jüngste „Steiger-Schatz“indessen, den er jetzt in einem Bildband präsentiert, ist ihm überraschend zugefallen.
1998 hatte Schick Kontakt zu Werner Koch in Stuttgart aufgenommen. Dessen Vater Fritz Koch war an der Entwicklung der ersten SteigerFahrzeuge beteiligt, arbeitete als Ingenieur und Einfahrer in Burgrieden und später im Verkauf. Als Werksfahrer bestritt er Autorennen für Steiger und holte einige erste Preise.
„Ende November 1998 habe ich den Sohn gefragt, ob es Unterlagen dazu gibt“, erzählt Michael Schick. „Ich habe meine Visitenkarte dagelassen. Er sagte, er schaut mal nach und meldet sich, hat dann aber nichts mehr von sich hören lassen. So läuft es eben manchmal.“Allem Anschein nach war die Sache in Vergessenheit geraten.
Am richtigen Platz
Im März 2017, nach mehr als 18 Jahren, hat sich Werner Koch doch noch in Laupheim gemeldet. Beim Aufräumen zu Hause sichtete er den Nachlass seines Vaters, dabei stieß er auf Schicks Visitenkarte. Inzwischen hat er dem Steiger-Spezialisten etwa 100 Original-Fotos übergeben. „Er sagte: ,Bei Ihnen sind sie am richtigen Platz‘“, berichtet Schick.
Welches Sammlerglück ihm da zuteil wurde, hat Schick schnell erkannt. Das Fotomaterial enthält bisher unbekannte Bilder von den Anfängen der Autofabrik Steiger, vom Bau der ersten Prototypen im Sommer 1919 und ersten Probefahrten, sowie Konstruktionszeichnungen und Detailaufnahmen des Fahrzeugs mit der Typenbezeichnung 10/50 PS. „Deutlich zu sehen ist, dass anfangs noch kein Lüfterrad hinter dem Kühler montiert war“, erklärt Schick. Das führte zu thermischen Problemen am 2,6-Liter-Vierzylinder und wurde umgehend korrigiert.
Ein Teil der Bilder ist mit Plattenkameras gemacht; sie bestechen durch ihre hohe Auflösung. Jedes Schräubchen, jedes Zahnrad lässt sich mithilfe einer Lupe in den Produktionshallen erkennen.
Etliche Aufnahmen in dem Konvolut dienten Werbezwecken, andere dokumentieren Erprobungsfahrten und Autorennen auf der Stuttgarter Solitude und bei der Targa Florio in Sizilien. An einem verunfallten Steiger-Rennwagen sticht der gelochte Fahrzeugrahmen ins Auge; auf diese Weise senkten die Konstrukteure das Gewicht. Der Ingenieur Fritz Koch hat auch selbst gern auf den Auslöser der Kamera gedrückt; er war ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf.
Koch (1894 - 1976), geboren in Tübingen, studierte Maschinenbau. Im Ersten Weltkrieg wurde er vermutlich nach Burgrieden zwangsverpflichtet. Dort hatte der Chemiker Walther Steiger 1907 eine Stoffbleicherei eröffnet. Im Krieg reparierte das Unternehmen Kampfflugzeuge und stellte Rüstungsgüter her. 1918 wechselte Steiger in den Automobilbau. Rund 1200 Wagen mit der Gemse im Firmenlogo verließen die Werkshallen, ehe aus wirtschaftlichen Gründen bereits 1926 das Aus kam.
Fritz Koch hat nach Schicks Recherchen den ersten Steiger-Wagen mitentwickelt. In der Einfahrabteilung war er ständig mit den neuen Fahrzeugen unterwegs. So wurde das Auto nach und nach optimiert.
1923 übernahm Koch die Generalvertretung der Firma in Stuttgart; der Ausstellungsraum befand sich in zentraler Innenstadtlage. Nach der Liquidation des Steiger-Werks verkaufte
Koch Motorräder. Bei Autorennen mischte er weiter erfolgreich mit, nun am Steuer eines Bugatti. Im Zweiten Weltkrieg war er an der West- und Ostfront im Bereich der Fahrzeuglogistik eingesetzt. Nach dem Krieg baute er mit seinem Sohn Werner einen Textilhandel auf.
Als Dankeschön an die Familie Koch und Ergänzung zu seiner großen Steiger-Chronik hat Michael Schick aus dem Nachlass von Fritz Koch einen Bildband gestaltet, mit einem biografischen Abriss und Anmerkungen zu den Fotos. Selbstredend setzt er weiter auf Recherche – und auf Sammlerglück.
Michael Schick, Der „Steiger“. Bildband zu Ingenieur und Rennfahrer Fritz Koch, 1894 – 1976. Laupheim 2017, 52 Seiten, 19 Euro.
Michael Schick, Steiger. Die Geschichte einer schwäbischen Autofabrik in den 20er-Jahren. 2., erweiterte Auflage, Laupheim 2017, 392 Seiten, 632 Abbildungen, 49 Euro.
Michael Schick, Fritz Gockerell – Biografie eines Motorenkonstrukteurs, Laupheim 2017, 188 Seiten, 349 Abbildungen, 39 Euro. Die Bücher können direkt beim Autor (Hafnergässle 16/3, 88471 Laupheim) bestellt werden, oder über www.dersteiger.de. Sie sind auch in der Buchhandlung Laese erhältlich.