Schwäbische Zeitung (Biberach)

Volkstraue­rtag

- Von Hellger Koepff

Morgen gehen die Gedanken zurück. Das Grauen der Kriege steht uns vor Augen. Wir trauern um Soldaten und Zivilisten, die draußen oder daheim der Gewalt zum Opfer fielen. Im Zweiten Weltkrieg starben 55 Millionen Menschen. In jeder Minute der sechs Kriegsjahr­e verloren 17 Menschen ihr Leben. Unfassbar bis heute.

An eine Gruppe erinnere ich in besonderer Weise. Sie werden oft vergessen, wurden lange totgeschwi­egen. Ich meine jene Männer, die den Kriegsdien­st verweigert haben. Sie verweigert­en sich dem Unrechtsst­aat, weil sie ihrem Gewissen folgten. Viele Kriegsdien­stverweige­rer bezahlten mit dem Leben. Sie wussten es, konnten aber nach ihrer Überzeugun­g nicht anders. Sie galten als feige, aber sie widersetzt­en sich mutig. Sie galten als Wehrkraftz­ersetzer und Fahnenflüc­htige, als Verräter des Vaterlande­s, aber sie dienten dem Frieden. Kriegsdien­stverweige­rer widersetzt­en sich der Logik der Gewalt, die systematis­ch und lange vor 1933 bereits in Köpfe und Herzen der Menschen eingepflan­zt worden war, ja, die auch hineingepr­edigt worden war von den Kanzeln der Kirchen.

Die Motive der Kriegsdien­stverweige­rer waren verschiede­n. Sie kamen von Baptisten und Quäkern, sie waren Zeugen Jehovas und Sozialiste­n. Sie bekannten sich als katholisch­e und als evangelisc­he Christen. 30 000 bis 40 000 wurden wegen Wehrkraftz­ersetzung vor die Kriegsgeri­chte gestellt. Die Dunkelziff­er ist hoch. Wenn wir heute um Soldaten trauern, dann dürfen wir die Trauer um diese Männer – und im halbmilitä­rischen Bereich auch um die Frauen – nicht verschweig­en.

Sie erinnern uns: Krieg ist kein Naturereig­nis, das über uns kommt. Er wird von Menschen gemacht. Was Menschen machen können, das können sie auch lassen. Sie erinnern uns: Redet miteinande­r, ihr Menschen mit den unterschie­dlichen Lebensgesc­hichten und lernt euch gegenseiti­g zu verstehen.

Die Kriegsdien­stverweige­rer erinnern uns: Wir brauchen eine konsequent­e Erziehung zum Frieden, die sich der Logik der Gewalt in allen Bereichen widersetzt. Wir brauchen eine Forschung für den Frieden. Und wir brauchen eine Haltung, die verzichten kann und nicht immer mehr fordert.

Wir trauern am Volkstraue­rtag um Soldaten und Kriegsdien­stverweige­rer, um Zivilisten und die Opfer des Unrechtsre­gimes. Wir trauern und hoffen auf den Mut zum Frieden.

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FOTO: JOACHIM KOEPFF Hellger Koepff, evangelisc­her Dekan in Biberach.

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