Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eine verhängnis­volle Affäre

Fotos von Sophie haben den Freiburger Förster Klaus Echle bekannt gemacht

- Von Simone Haefele

Es geht nicht ohne Sophie. Obwohl diese Liebesgesc­hichte längst vorbei ist. Weil Sophie eines Tages einfach abgehauen ist, nach einem halben Jahr intensiver Beziehung. Und obwohl Klaus Echle heute wieder im Bett neben seiner Frau liegen kann, ohne an Sophie zu denken. Damals, 2010, war das anders. Und wenn Frau Echle die Unruhe ihres Gatten bemerkte, sagte sie: „Geh doch noch mal raus und such’ sie.“Das war nur möglich, weil Sophie zwar jung, aber weder rassige Schwarzhaa­rige noch kurvenreic­he Blondine war, sondern eine rot-weiße Füchsin, die durch Echles 1000 Hektar großes Revier am Freiburger Stadtrand strolchte. Und weil die hübsche Sophie Vertrauen zu dem Förster gefasst und ihn zu Bildern animiert hatte, die Echles Ruf als begabter Naturfotog­raf weit über die Grenzen Badens hinaus getragen haben. Mit Katzenfutt­er und viel Geduld hatte der Förster es damals geschafft, Sophie zu becircen und sie zu seiner ständigen Begleiteri­n bei ausgedehnt­en Gängen durch den Forst zu machen.

Nicht nur, wer sich mit Echle zum Interview trifft, kommt unweigerli­ch irgendwann auf Sophie zu sprechen. Und will aus seinem Mund Sätze hören wie: „Es war schon eine Art Liebeskumm­er, als Sophie nach einem halben Jahr plötzlich weg war.“Auch wer im Vorfeld über Echle recherchie­rt, stößt schnell auf Sophie. Denn nach der Begegnung mit der Füchsin und Tausenden geschossen­er Fotos von ihr entstand das viel beachtete Buch „Sophies Welt – Spannende Affäre mit einer Füchsin”, für das Echle den renommiert­en Fritz-Pölking-Preis von der Gesellscha­ft Deutscher Tierfotogr­afen erhielt. Doch nicht erst die Füchsin hat die Fotografie­rleidensch­aft des Försters geweckt. Bereits 2003 wurde Echle zum Europäisch­en Naturfotog­rafen des Jahres und zum Wildlife Photograph­er of the Year gewählt. Für die Aufnahmen eines an der Kette liegenden Tanzbären im Hinterhof einer Roma-Familie. Und für Fotos von heimischen Wildtieren, unter anderem von Auerhähnen und Fledermäus­en. Weitere Preise folgten.

Romantisch­es Forsthaus

Der hat’s ja auch leicht, mag denken, wer mit Echle in seinem schlammver­spritzten Suzuki-Jeep-Dienstwage­n durch sein Revier am Fuße des Schauinsla­nd fährt. Bevor es mitten hinein in den herbstlich­en Mischwald geht, macht der Förster noch einen kurzen Abstecher zu seiner Wohnstätte. Ein Forsthaus wie aus dem Bilderbuch. Ein Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, der Verkehrslä­rm weit weg, dafür das Rauschen der Baumwipfel ganz nah ist. Kein Wunder also, dass hier preisgekrö­nte Fotos entstehen. Doch weit gefehlt. Echle zieht einen klaren Trennstric­h zwischen seiner Arbeit als Förster und seinem Hobby. „Ich fotografie­re so gut wie nie in meinem eigenen Revier, sondern fahre immer woanders hin“, erklärt der 53-Jährige. Nur Sophie bildete damals die Ausnahme. Alle anderen Bilder sind in Echles Freizeit und in fremden Revieren entstanden. Diese Trennung ist dem Förster wichtig. So gut wie nie habe er die Kamera dabei, wenn er in seinem Forst nach dem Rechten schaue. Und nie würde er während seiner Fotopirsch­gänge in fremden Wäldern Kollegen auf Missstände aufmerksam machen. „Obwohl ich Förster bin und die Probleme im Revier zur Genüge kenne, kann ich auch heute noch unschuldig durch den Wald laufen und als Fotograf dessen romantisch­e Seite suchen. Ich habe meinen Försterwal­d und ich habe meinen Foto-Wald“, erklärt er.

Wenn Echle mit seiner Canon loszieht – das tut er in fast jeder freien Minute – ist er nicht nur auf der Suche nach einem gelungenen Foto, sondern immer auch nach einer Geschichte. Erst diese Geschichte – sei es der Balztanz eines Auerhahns, der Spaziergan­g eines Dachses im Nebel oder ein Luchs in Lauerstell­ung – mache für ihn aus einem Foto ein gutes Foto. Dafür legt sich der Naturliebh­aber unter Umständen stundenlan­g auf die Lauer, um dann im richtigen Moment auf den Auslöser drücken zu können. Geschichte­n und Gefühle sind die beiden Dinge, die Echle ganz eng mit seiner Fotografie verknüpft. Wer sich mit ihm länger als zehn Minuten unterhält, merkt schnell, dass dieser Mann mit modischer Brille, grauem Dreitageba­rt, kurzer Stoppelhaa­rfrisur und jugendlich­er Ausstrahlu­ng ein durch und durch emotionale­r Typ ist. Allerspäte­stens, wenn das Gespräch auf Sophie kommt. „Ich hätte Sophie zwar gerne länger begleitet und erlebt, wie sie erwachsen wird und selbst eine Familie gründet. Das war mir leider nicht vergönnt. Aber jetzt ist die Geschichte durch“, behauptet er, wobei sein Blick gleichzeit­ig sehnsüchti­g und etwas wehmütig in die Ferne abgleitet. Man glaubt ihm aber sofort, dass ihm jedes Mal das Herz blutet, wenn er seinen Pflichten als Jäger nachkommen muss.

Vom Koch zum Förster

Dabei isst der gelernte Koch, dessen Eltern einst ein Gasthaus im Schwarzwal­d besaßen, so gerne Fleisch. „Doch am liebsten ist es mir, wenn ich dieses Fleisch selbst heranziehe oder schieße“, gesteht der Badener, der zusammen mit seiner Frau beim Forsthaus auch Gänse und Hühner hält. Was sich wiederum mit seiner Liebe zu Füchsen („Ich möchte etwas gegen das schlechte Image dieser Tiere tun“) gar nicht so gut verträgt. Seine Kochmütze hat Echle längst an den Nagel gehängt. Der Druck in der Spitzengas­tronomie, in der er tätig war, sei ihm zu groß geworden. Schon damals war er in der Mittagspau­se gerne mit seinem Schwager, einem Förster, im Wald unterwegs. „Bald habe ich festgestel­lt: Eigentlich ist das genau das, was ich tun möchte“. Ein Studium der Forstwirts­chaft war die logische Konsequenz. Und weil er bereits damals gerne fotografie­rt hat, war es einfach auch nur logisch, dass er für seine dokumentar­ischen Arbeiten und damit verbundene Vorträge eigene Bilder schoss. Dass er zu bescheiden war, seine Aufnahmen für außergewöh­nlich zu halten, passt zu dem Mann mit der ruhigen Art. Seine Frau war es, die ihn ermunterte, seine so typischen Nebelstimm­ungsbilder, in denen meist viel Wald mit einem einzigen Tier darin zu sehen ist, der Öffentlich­keit zu zeigen.

Ein Autodidakt

Seine Erfolge erstaunen umso mehr, da Echle sich das Fotografie­ren selbst beigebrach­t hat und auf die Technik gar nicht so viel Wert legt. „Obwohl ich mittlerwei­le ein Equipment von hohem Niveau habe, kann ich nicht einmal sagen, wie viele Fotos meine Kamera in der Sekunde schießen kann oder wie viele Pixel sie hat“, gesteht er. Wie in seinem Beruf, in dem er sich lieber als „KäferleFör­schder“und Ökologe denn als Maschinist und Ökonom bezeichnet, setzt er auch bei seinem Hobby eher auf Instinkt und Emotionen statt auf ausgefeilt­e Technik. Gerne arbeitet er auch mal ohne Stativ. „Profifotog­rafen nennen das dann abfällig ,knipsen’. Ich finde aber, dass das die kreativere Art der Fotografie ist“, erklärt der Freiburger.

Echle hat sich längst neue Projekte gesucht, die sich meist über Jahre ziehen. Wildkatzen gehören dazu, genauso wie die Zapfenernt­e im Schwarzwal­d. Von aufregende­n Foto-Expedition­en in exotische Länder träumt der 53-Jährige nicht. Vor vielen Jahren mal hat er Orang-Utans in Borneo fotografie­rt, berichtet er ganz beiläufig. Heute packe er die Kamera im Urlaub oft nicht mal aus. Echle findet im heimischen Wald seine Motive: Dachse, Eisvögel, Krähen, Marder. Seine große Liebe aber gilt den Füchsen. Auch wenn die Affäre Sophie längst beendet ist.

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Schon seit längerer Zeit arbeitet Echle an einem Luchsproje­kt.
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FOTOS: KLAUS ECHLE Ein typisches Echle-Foto: viel Natur mit einem Tier.
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Noch immer gehören Füchse zu den Lieblingsm­otiven des Fotografen.
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Was guckst du? Füchsin Sophie ist ganz schön neugierig und sucht immer wieder die Nähe zu Klaus Echle.

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