Schwäbische Zeitung (Biberach)
Spuren passen nicht zu Unfall
Angeklagter im Fall Hoßkirch macht keine Aussage – Polizisten werden am Fundort stutzig
RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Im Prozess gegen einen 35-Jährigen aus Hoßkirch (Landkreis Ravensburg) sind vor dem Landgericht Ravensburg am zweiten Tag der Hauptverhandlung die ersten Zeugen gehört worden. Wie die Polizisten berichteten, kamen ihnen schon kurz nach dem Eintreffen am Fundort des schwerverletzten Hoßkirchers und der Leiche seiner Frau Zweifel daran auf, dass es sich um einen Unfall handeln könnte.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg legt dem 35-Jährigen zur Last, am Abend des 25. Februar seine Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung erwürgt und anschließend versucht zu haben, einen Autounfall vorzutäuschen. Der dunkelblaue Mercedes Vito war am Vormittag des 26. Februar auf einem Acker am Gemeindeverbindungsweg zwischen Hoßkirch und Tafertsweiler gefunden worden. Während der Angeklagte zwischen dem Auto und der Straße schwer verletzt und bewusstlos auf dem Acker lag, saß die tote Frau angeschnallt auf dem Fahrersitz. Anfangs war völlig unklar, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handelt, in das vielleicht noch Dritte verstrickt sein könnten. Die Obduktion der Leiche ergab, dass sie erstickte und vermutlich erwürgt wurde.
Manches passt nicht zusammen
„Vormittags gegen 9.30 Uhr haben wir die Meldung erhalten, dass sich offenbar ein Verkehrsunfall ereignet hatte“, sagte ein Polizist, der zur ersten Streife gehörte, die am Unfallort eintraf. Ein Rettungswagen sei bereits dort gewesen. Auf den ersten Blick seien die Spuren des Autos auf dem Acker zu erkennen gewesen. Das Licht des Autos sei noch eingeschaltet gewesen, drin habe sich die Tote befunden. „Am Kopf waren deutlich Leichenflecken zu erkennen“, sagte er. Deshalb sei er davon auszugehen, dass sie schon einige Stunden tot gewesen sei. Das Auto der getöteten Frau aus Hoßkirch hatte kaum Schäden aufgewiesen, als es auf dem Acker gefunden wurde.
„Ich habe Zweifel bekommen, ob es sich um einen Unfall handelt“, sagte er. „Mehrere Sachen haben nicht zusammengepasst.“Zum einen seien nur wenige Unfallspuren auf dem Acker zu sehen gewesen. Die Spur sei leicht gebogen gewesen, es habe keinen Hinweis auf einen massiven Aufschlag gegeben und der Airbag sei nicht ausgelöst worden. Auch die Lage des Angeklagten habe nicht dem Spurenverlauf entsprochen. Der Schwerverletzte befand sich schon zur notärztlichen Behandlung im Krankenwagen.
Die Sanitäter händigten dem Polizisten die Jacke des Mannes aus. In einer der Taschen fand er einen goldenen Ehering, in den der Vornamen der Frau und das Hochzeitsdatum eingraviert waren. Wie er auf Nachfrage von Richter Stefan Maier berichtete, sei ihm auch die Kleidung der Frau aufgefallen. Sie habe nur eine Leggins und einen dünnen Pullover getragen, und das bei Temperaturen um den Nullpunkt. Außerdem habe es den Abdruck eines Schuhs gegeben, der zunächst nicht zugeordnet werden konnte. Weil sich Kindersitze im Auto befanden, sei er zum Haus des Paares
gefahren. Dort habe er aber keine Spuren gefunden, die erklären konnten, was am Abend zuvor passiert war.
Wie sich bei der Vernehmung durch die Anwälte des Angeklagten herausstellte, gibt es Unstimmigkeiten, was den Fundort des Mannes anbelangt. Während er nach Angaben des Polizisten schon mit Raureif überzogen und bäuchlings mit dem Kopf in Richtung Auto gelegen haben soll, lag er Informationen des Anwalts zufolge genau anders herum mit den Füßen in Richtung Auto.
Einem anderen Polizisten, der mit der zweiten Streife am Fundort angekommen war, fiel auf, dass die persönlichen Gegenstände der Frau – Geldbeutel und Handy – ordentlich auf dem Armaturenbrett lagen. „Wenn es einen Unfall gegeben hätte, wären die im Auto herumgeflogen“, sagte er.
Der 35-Jährige verfolgte die Verhandlung eher teilnahmslos. Nur manchmal blickte er kurz auf in Richtung der Richter und der Schöffen. Er wollte sich vor dem Gericht weder zu seiner Person noch zu den Vorwürfen äußern.
Um etwas mehr über den Angeklagten zu erfahren, rief der Vorsitzende
Richter Stefan Maier einen Hauptkommissar des Kriminalkommissariats Ravensburg in den Zeugenstand. Er hatte den Angeklagten zweimal vernommen. „Er hatte Probleme, sich an seine eigene Vita zu erinnern“, sagte der Kommissar. Er habe sich an handschriftlichen Aufschrieben entlanggehangelt. Der Angeklagte wuchs in Hoßkirch auf, wo er in Vereinen aktiv war. Zuerst besuchte er die Grundschule und später eine Realschule, woran er sich aber nicht mehr genau erinnern kann. „Der Angeklagte war selbst überrascht, als er erfahren hat, dass er keinen Schulabschluss hat“, sagte der Kommissar. Auf dem zweiten Bildungsweg wurde er Arbeitserzieher. Nach verschiedenen beruflichen Stationen landete er in der Schweiz. Dort lernte er bei der Arbeit seine spätere Ehefrau kennen. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder und wohnten in einem neuen Haus in Hoßkirch, das der Angeklagte gebaut hat.
Die Hauptverhandlung wird am Mittwoch, 6. Dezember, um 14 Uhr fortgesetzt.