Schwäbische Zeitung (Biberach)
Landwirtschaft – wie lange gibt’s den Bauern noch im Dorf?
Die Landwirtschaft ist im Wandel – so stark wie kaum eine andere Branche. Die Zahl der Betriebe geht seit Jahren zurück. Wenn man die Zahlen des Zeitraums von 2003 bis 2016 zugrunde legt, geben im Kreis Biberach jedes Jahr 61 Landwirte ihren Betrieb auf. Oft fehlt ein Nachfolger.
Nicht so in Zuben bei Eberhardzell. Dort übernimmt Christoph Baur das, was seine Eltern aufgebaut haben. Der 30-Jährige hat 90 Milchkühe plus Jungvieh und bewirtschaftet mithilfe der ganzen Familie eine Fläche von 160 Hektar. „Mir war immer wichtig, dass jemand weitermacht.“Ihm mache die Arbeit im Freien Spaß – „und es muss Spaß machen, sonst kann man diesen Beruf nicht ausüben“. Neben der Freude an der Arbeit mit Natur und Tier muss natürlich auch die wirtschaftliche Seite stimmen. Deshalb entschied sich Baur vor vier Jahren, einen neuen Stall zu bauen. „Damals war klar: Wenn wir weiter Milchvieh halten wollen, müssen wir etwas machen.“Ein Drittel mehr Tiere hat er seit dem Umzug in den neuen Stall. Auch wenn einem Betrieb seiner Größe eigentlich doppelt so viele Tiere vorgeschlagen werden, damit es sich rechnet, wie Baur anmerkt. Aber zum einen sei der Familienbetrieb mit dieser Größe ausgelastet, zum anderen habe er den Getreideanbau als zweites Standbein. Mit der Vergrößerung seines Hofs spricht der 30-Jährige eine Entwicklung an, die sinnbildlich für die Veränderungen in der Landwirtschaft steht. Dem Höfesterben stehen immer größere Betriebe gegenüber, sowohl was Fläche als auch was die Anzahl der Tiere betrifft. Hatte ein Landwirt im Landkreis Biberach 2010 im Durchschnitt noch 40 Milchkühe, sind es 2016 bereits 53 gewesen. Noch drastischer ist dieser Trend bei der Schweinehaltung. 326 Tiere hielten die Betriebe im Landkreis durchschnittlich vor sieben Jahren. 2016 waren es 535 – auf 205 Höfen weniger.
Um diesen gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, greifen viele Landwirte auf modernste Technik zurück. Christoph Baur schaffte sich für den neuen Stall einen Melkroboter an. Dadurch hat sich die Arbeitszeit pro Kuh und Jahr halbiert. Außerdem liefert der Roboter eine Menge an Daten, die auf dem PC oder dem Smartphone abrufbar sind. Nicht nur zur Anzahl der Melkungen und zur Milchmenge, sondern auch zum Wiederkäuen und zur Aktivität der Kühe. So kann der Landwirt frühzeitig erkennen, wenn ein Tier krank ist. Ein wichtiger Faktor in Zeiten, in denen Landwirte nicht nur auf den maximalen Ertrag pro Hektar, sondern auch auf die maximale Leistung ihrer Tiere angewiesen sind. Heute weiß Christoph Baur, dass es richtig war, in einen Stall zu investieren. Auch der Tiere wegen. „In Sachen Tierkomfort sind das Welten im Vergleich zu vorher. Das merkt man den Kühen auch an.“Und er kann es an Zahlen festmachen. Im neuen Stall bringen die Tiere mehr Leistung. Christoph Baur weiß, dass das Thema Effizienz in Kombination mit technischem Fortschritt auch in den kommenden Jahren eine tragende Rolle spielen wird. Als Beispiele nennt er GPS und Drohnen. „Das sind alles Dinge, mit denen man sich beschäftigen muss.“Der Wandel geht weiter.
Herr Glaser, steht der Kreis Biberach beim Strukturwandel besser da
als andere?
In meinen Augen ja. Bei uns gibt es eine Begeisterung und einen Idealismus für die Landwirtschaft, wie es nicht in vielen Gegenden der Fall ist. Die Liebe zur Landwirtschaft ist groß. Bevor ein Bauer seinen Hof aufgibt, lässt er sich sieben neue Sachen einfallen.
Kann ein Bauer heute noch Bauer sein oder ist er mehr Manager?
Natürlich führt kein Weg an der betriebswirtschaftlichen Seite vorbei. Ein Bauer ist heute viel mehr Unternehmer als früher, muss sich deutlich mehr mit Bürokratie beschäftigen. Wer nicht planerisch vorgeht, wird heute keinen Erfolg mehr haben können. Fundamentales darf dabei aber nicht vernachlässigt werden: Das Auge des Herrn mästet das Vieh. Um das Ganze zu schaffen, muss man nicht nur Idealist, sondern auch ein fanatischer Natur- und Tierliebhaber sein. Wer nur rechnet und auf den Urlaub schielt, der macht’s nicht lang.
Wie viele Höfe gibt es im Kreis Biberach in zehn Jahren noch?
Es wäre unseriös, jetzt Zahlen zu nennen. Dafür spielen zu viele Faktoren eine Rolle. Die meisten Landwirte hängen an ihrem Beruf und betreiben ihren Hof deutlich länger, als es ein reiner Betriebswirtschaftler machen würde. Laut Statistik macht sich ein Landwirt erst dann Gedanken, sich von seinem Hof zu lösen, wenn er zwei Drittel weniger Einkommen hat als die Durchschnittsbevölkerung. Der Knackpunkt ist natürlich der Generationenwechsel. Aber ich kenne viele junge Leute, die unglaublich viel Energie haben und begeistert in die Landwirtschaft stecken. Das macht jede Menge Hoffnung. an Gerhard Glaser, Kreisobmann des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen