Schwäbische Zeitung (Biberach)

Lebensqual­ität geht verloren

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Zum Artikel „IGI-Verfahren kaum mehr zu stoppen“in der SZ vom 25. Oktober schreibt ein Leser:

Sehr löblich, dass sich vor einem halben Jahr besorgte Menschen in der Bürgerinit­iative Rißtal zusammenge­funden haben, um auf die negativen Auswirkung­en des geplanten interkommu­nalen Industrieg­ebiets aufmerksam zu machen. Doch machen wir uns nichts vor: Das IGI wird kommen. Denn nachdem das Schlagwort „Arbeitsplä­tze“gefallen war, konnten andere Argumente ohnehin nicht mehr durchdring­en. Wer jetzt noch wagt, argumentat­iv gegen das IGI überzeugen zu wollen, wird als unverbesse­rlicher Nestbeschm­utzer eingestuft.

Der geplante Standort hat natürlich den Vorteil, dass das IGI nur relativ wenigen Mitbürgern direkt vor die Nase gebaut wird. Daher war von Anfang an mit relativ wenig Gegenwind zu rechnen. Darauf, dass ein unverbaute­s Risstal für Landwirtsc­haft, Luftaustau­sch, Trinkwasse­rversorgun­g und als Versickeru­ngsfläche wichtig ist, wurde auch an dieser Stelle bereits mehrfach hingewiese­n. Schlussend­lich würde durch die Bebauung auch kein ökologisch­es Kleinod zerstört werden – allerdings könnte man es durch entspreche­nde Bewirtscha­ftung oder Biotopgest­altung durchaus zu einem solchen machen.

Bezüglich der Arbeitsplä­tze sei daran erinnert, dass wir im Raum Biberach von Vollbeschä­ftigung sprechen. Bereits jetzt fehlen Facharbeit­er und etliche Lehrstelle­n bleiben unbesetzt. In dieser Situation weitere Arbeitsplä­tze zu schaffen, bedeutet auch weiteren Zuzug, zusätzlich benötigten Wohnraum, Ausbau der Infrastruk­tur und steigende Verkehrsbe­lastung. Wollen wir das? Geht es uns dann besser? Natürlich ist es schön, dass es den heimischen Firmen so gut geht, dass sie expandiere­n wollen. Ich weiß aber auch nicht, wo eine weitere Gewerbeans­iedlung unproblema­tisch möglich wäre. Vielleicht können die Arbeitsplä­tze ja zu den Menschen kommen. Denn unbebaute Fläche wird immer kostbarer, da sie endlich ist.

Den Entscheidu­ngsträgern kommt deshalb eine große Verantwort­ung zu. Was für immer verloren zu gehen droht, lässt sich nicht in Hektar oder Euro bemessen: Lebensqual­ität. Wir brauchen unbebaute Gegenden, um zu entspannen und uns wohl zu fühlen. Nur verhält es sich mit der Lebensqual­ität ähnlich wie mit unserer Gesundheit. Beide sind subjektiv und wir schätzen sie leider oft erst, wenn es nicht mehr gut um sie bestellt ist.

Das IGI Rißtal wird kommen. Die Verantwort­lichen berufen sich hierbei auf Gutachten und Machbarkei­tsstudien. Aber die sukzessive verschlech­terte Lebensqual­ität von uns allen müssen sie vor ihrem Gewissen verantwort­en – da hilft ihnen kein Gutachter.

Jochen Drescher, Schemmerho­fen

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