Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ministerium sagt Straßenbaukonferenz ab
Abstimmung über Reihenfolge von Projekten verschoben – Kommunen werden selbst aktiv
STUTTGART - Das Stuttgarter Verkehrsministerium hat eine für Dienstag geplante Straßenbaukonferenz abgesagt. „Es sind noch weitere Klärungen, unter anderem mit dem Bund, nötig“, bestätigt ein Sprecher von Minister Winfried Hermann (Grüne) auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. In der Sitzung wollte Hermann Politikern von Land und Kommunen, Verbänden und Bürgern die Prioritätenliste zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) vorstellen. Diese soll als Fahrplan dafür dienen, welche Bundesstraßen im Land in welcher Reihenfolge bis 2030 ausgebaut oder zumindest geplant werden. Ein Nachholtermin ist für das erste Quartal 2018 angesetzt.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“liegt die Verzögerung aber nicht nur an der Abstimmung mit dem Bund, sondern auch mit den Regierungsfraktionen. Manch Abgeordneter von der CDU, aber auch von den Grünen, fühlte sich vom Vorpreschen Hermanns überrumpelt. „Der Termin kommt zu früh. Hier gibt es schon noch Abstimmungsbedarf“, sagt der verkehrspolitsche Sprecher der CDU-Fraktion Thomas Dörflinger. „90 Prozent sehe ich schon als geeint an“, erklärt Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, „jetzt geht es noch um zehn Prozent, bei denen man etwas anders auslegt.“
Zu den Punkten, die noch unklar sind, gehören etwa die Kriterien, die das Verkehrsministerium für die Priorisierung angelegt hat. Konkret stört sich die CDU offenbar am Kriterium „Nachhaltigkeit“. Der Bund spreche von „umwelt- und naturschutzfachlichen Bewertungen“, Verkehrsminister Hermann habe die Stichworte „Luftschadstoffe“und „Lärm“darunter gefasst, so Schwarz. „Am Ende werden die Auswirkungen auf die Prioritätenliste gering sein.“
Abstimmung statt Konferenz
Am Dienstagabend werden die Verkehrsexperten der Fraktionen nun mit Hermann über die strittigen Punkte sprechen. Einen Koalitionsstreit wie zuletzt um Tempolimits auf der A 81 werde es aber nicht geben, beteuern Vertreter beider Fraktionen. „Bei diesem Thema ist der Streit beigelegt“, sagt Schwarz etwa.
Dörflinger betont, dass es bei der Prioritätenliste ausschließlich um Projekte geht, die neu in den vordringlichen Bedarf des BVWP aufgenommen wurden. „Für die anderen 73 Maßnahmen, die schon im Bau sind oder sich in Planung befinden, ändert sich überhaupt nichts.“Diese umfassten ein Investitionsvolumen von 5,6 Milliarden Euro, was die Straßenbauverwaltung über Jahre hinweg binde. Das Verkehrsministerium rechnet mit einer Bearbeitung neuer
Projekte „vor 2025“, wie ein Sprecher sagt. Um schneller voranzukommen, wird das Land bis 2019 laut Dörflinger 150 neue Stellen in der Straßenbauverwaltung schaffen.
Betroffenen Kommunen, die zum Teil seit Jahrzehnten auf Baumaßnahmen warten, reagieren verstimmt auf den Zeitverzug. „Denn das heißt ganz konkret, dass mit Planungen nicht begonnen wird und der Bundesverkehrswegeplan faktisch nicht umgesetzt wird“, sagt die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle (CDU).
Manche Kommunen möchten nicht mehr länger warten. Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben, hatte erst am Donnerstag im Ravensburger Kreistag erfolgreich für die Gründung einer Gesellschaft geworben, in der drei Landkreise selbst planen und diese Arbeit auch finanzieren wollen. Dabei geht es um die B 311 zwischen Mengen und Meßkirch im Kreis Sigmaringen, um die B-30-Umfahrung von Gaisbeuren im Kreis Ravensburg und um einen Tunnelausbau
der B 31 in Friedrichshafen. Auch der Kreistag in Sigmaringen hat der Gründung zugestimmt, das Votum aus dem Bodenseekreis steht aus.
Getrieben wird dieser Vorstoß von der Befürchtung, wegen Personalmangels beim Land könnte sich sonst auf Jahre hinaus bei den großen Bauprojekten in der Region nichts tun. „Mir wäre es sehr recht gewesen, wenn wir am Dienstag die Liste des Landes bekommen hätten, dann hätten wir endlich Klarheit gehabt“, sagt Franke. „Jetzt gehen die Spekulationen darüber weiter, was das Land tut und was nicht.“Das Land schafft gerade die rechtlichen Voraussetzungen für solche Gesellschaften.
Landkreise planen selbst
Die zügigere Planung lassen sich die Kreise etwas kosten. Der Kreis Sigmaringen etwa wird dafür in den nächsten zehn Jahren zwischen 12,4 und 14,8 Millionen Euro in die Hand nehmen. „Davon werden die Gemeinden bei uns, die Betroffenheiten haben, rund 2,1 Millionen Euro tragen“, sagt Landrätin Bürkle. Die gute Nachricht aus dem Verkehrsministerium dazu: „Wir reichen die Planungsmittel, die uns der Bund für die Projekte gibt, an die Kommunen weiter“, erklärt ein Ministeriumssprecher. Bislang zahlt der Bund aber nur drei Prozent der Projektkosten für die Planung – was die tatsächlichen Kosten aber nicht deckt. Für die Lücke müssen die Kreise dann selbst aufkommen. „Es gibt aber Signale vom Bund, dass er die drei Prozent aufstockt“, so der Sprecher.