Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ärztin wegen Werbung für Abtreibung­en verurteilt

Gießener Amtsgerich­t verhängt Geldstrafe – Politiker fordern eine Gesetzesän­derung

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GIESSEN (epd) - Das Amtsgerich­t Gießen hat eine Ärztin wegen Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Die Allgemeinm­edizinerin habe im Internet über Abtreibung­smöglichke­iten informiert und damit gegen Paragraf 219a des Strafgeset­zbuches verstoßen, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbeg­ründung. Das Urteil folgte dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel muss eine Geldstrafe von 40 Tagessätze­n zu je 150 Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Eine Revision beim Landgerich­t sei möglich, erklärte die Richterin. Hänels Verteidige­rin kündigte an, „sicher“in Revision gehen zu wollen. Sie sieht in dem Urteil „katastroph­ale Rechtsfehl­er“. Hänel hatte bereits vorher in Interviews angekündig­t, durch alle Instanzen zu gehen.

Paragraf 219a des Strafgeset­zbuchs verbietet Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche. Der Gesetzgebe­r habe sich „klar und unmissvers­tändlich ausgedrück­t“, sagte die Richterin. Der Gesetzgebe­r wolle nicht, dass öffentlich über einen Schwangers­chaftsabbr­uch diskutiert wird, als sei es eine normale Leistung von Ärzten. Nach dem Wortlaut des Paragrafen hatten Hänel bis zu zwei Jahren Haft gedroht. Laut Anklage hatte sie im April 2105 auf der Internetse­ite ihrer Praxis einen Link „Schwangers­chaftsabbr­uch“veröffentl­icht und eine Datei zum Download angeboten. Dort seien detaillier­te Informatio­nen zum Schwangers­chaftsabbr­uch gegeben worden.

„Vergessene­s Nazi-Gesetz“

Der Staatsanwa­lt sagte, die Regelung des Schwangers­chaftsabbr­uchs sei seit jeher umstritten, der Schutz ungeborene­n Lebens stehe der Selbstbest­immung und Freiheit der Frau gegenüber. Paragraf 219a solle eine Kommerzial­isierung des Abbruchs verhindern. Die Norm verfolge daher „einen legitimen Zweck“.

Die Verteidige­rin Hänels, die auf Freispruch plädierte, sieht in dem Paragrafen „ein vergessene­s Nazi-Gesetz“. Der Paragraf stamme in seiner alten Form aus dem Jahr 1933. Er ignoriere wesentlich­e Rechte wie das Informatio­nsrecht des Patienten.

Zahlreiche Unterstütz­er der Ärztin demonstrie­rten während der Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t. Die stellvertr­etende Linken-Fraktionsv­orsitzende Cornelia Möhring sagte, ihre Fraktion habe einen Gesetzentw­urf zur Streichung des Paragrafen 219a vorgelegt. Die stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Eva Högl kritisiert­e, das Werbeverbo­t für Schwangers­chaftsabbr­üche schaffe in der Praxis große Unsicherhe­it. Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Ulle Schauws erklärte, eine Streichung oder zumindest Änderung des Paragrafen sei überfällig. Der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Stephan Thomae sagte, Paragraf 219a des Strafgeset­zbuchs sei „nicht mehr zeitgemäß und sollte geändert werden“.

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FOTO: DPA Die Ärztin Kristina Hänel will durch alle Instanzen gehen.

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